Poison (German Edition)
meine Kissen fallen, starte durch einen Knopfdruck auf die Fernbedienung das Sonntagsprogramm – ZDF, Sonntagskonzert, ausgerechnet –, schalte ein bisschen durch die Kanäle und beschließe dann, genervt von Volksmusik in vier verschiedenen Variationen und auf vier verschiedenen Fernsehsendern, ohne Fernsehen zu frühstücken.
Nur mit meiner Boxer bekleidet, koche ich mir einen Tee, und dusche, solange der zieht – mein Wellness-Tee muss lange ziehen, by the way. Mit nassen Haaren komme ich aus dem Bad, trinke Tee, knabbere ein Stück Ciabatta, eine Tomate, ein bisschen Käse, ein Stück Gurke, esse einen Joghurt und beschließe, mich heute sauwohl zu fühlen. Dann packe ich meine Sporttasche und fahre mit der U-Bahn Richtung Innenstadt, denn Wellnesstag ist gleich mit einem Sport-, einem Saunatag. Und ich habe mein Training die letzten Wochen sowieso viel zu sehr vernachlässigt. Konditions- und Ausdauertraining mache ich sowieso zweimal pro Woche, aber Sonntag ist der einzige Tag, an dem in meinem Dojo so gut wie nichts los ist, und so mache ich mein Kampfsporttraining meistens dann. Außerdem ist mein spezieller Lieblingsgegner, Wong, ein Koreaner, dann da, und wir haben ausgiebig Zeit für ein spezielles Training. Wong ist eine Art Kollege von mir, er ist Erotikmodell, allerdings im Hetero-Bereich, und hat mir eine Menge Tricks gezeigt, wie man aufdringliche und aggressive Freier abwehren kann. Also prügele ich mich ein wenig mit Wong, schwitze mir anschließend im Dampfbad den Rest meiner Aggressionen aus dem Leib, mache eine Stunde Gerätetraining, um meine Muskeln schön weich und geschmeidig zu halten und schließe dann so gegen fünf mit Gymnastik ab. Gerade noch rechtzeitig für meine Verabredung mit meiner Lieblings-Fernseh-Serie, »Buffy – The Vampire Slayer«, und so beeile ich mich, nach draußen zu kommen, spurte zur U-Bahn, die gerade einfährt, »vergesse« wieder einmal, wie eigentlich immer in den letzten sechs Monaten, ein Ticket zu kaufen, und erreiche die Bahn gerade noch so, lasse mich mit meiner Tasche auf einen freien Vierersitz fallen und will mich eigentlich gerade mental auf meinen ruhigen Fernsehabend einstellen, als ich – schon wieder!!! – IHN erblicke.
Jetzt will ich es wissen! Ich mustere ihn ganz genau, versuche, meine Gabe dazu zu nutzen, ihn genau zu durchschauen – er sieht mich nicht, denn er ist mit einem Bekannten unterwegs und unterhält sich angestrengt. Er ist noch niedlicher, wenn er lacht, das muss ich zugeben.
22
Brix
»Brix.« Ducky stößt mir seinen Ellenbogen unsanft in die Seite und reißt mich dabei aus meinen Überlegungen. »Du wirst beobachtet. Von hinten rechts, süßer Typ, scheint sich für dich zu interessieren.« Sein Blick wandert zurück in die entsprechende Richtung, und ich folge ihm ... gelangweilt, ist ja nicht das erste Mal, dass mich jemand beobachtet. Andererseits, eine kleine Ablenkung von diesem nagenden Gefühl – meinetwegen in Form eines süßen Typen – wäre jetzt auch nicht ... – schlecht! Mir wird gerade unheimlich schlecht und flau im Magen, als ich sehe, wen Ducky meint. Condom-Boy! Ich versuche, sofort wieder wegzusehen, aber ich schaffe es nicht, ebenso wenig wie Ducky es schafft, seinen Mund zu halten.
»Irgendwoher kenne ich den ... ich weiß nur nicht, woher? Kommt er dir nicht auch bekannt vor? Ist er dir schon mal begegnet?«
Ja, vorgestern, im Backroom vom »Turm«, denke ich, bekomme aber keinen Ton heraus, bin viel zu gebannt von IHM und seiner in meinen Augen plötzlichen Anwesenheit. Seinen offensichtlich maßgeschneiderten, jeden Vorteil seines Körpers betonenden Klamotten, seinem Gesicht, seinen schönen dunklen Augen. Und während Ducky sich leise darüber aufregt, warum er vergessen hat, woher er ihn kennt, wünsche ich mir instinktiv das Gegenteil – genau dies: Ihn zu vergessen, ihn nie kennengelernt zu haben. Doch sein Blick fängt mich ein und hält mich fest ... und verspricht mir die Erfüllung all meiner Wünsche, was Erinnerungsfetzen auf mich einstürmen lässt. Meine Augen werden vermutlich riesengroß, denn ich kann nicht glauben, was ich gerade empfinde, weil mir ganz plötzlich wieder einfällt, womit ich letzte Nacht so beschäftigt war: mit dem verzweifelten Versuch, jeden Gedanken an Condom-Boy in Alkohol zu ertränken ... fast schon panisch, weil ich plötzlich nicht mehr das Bedürfnis gehabt hatte, mit ihm zu vögeln, sondern zu reden ... über mich. Warum nur? Eine Stimme in
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