Poison (German Edition)
nicht los, etwas Entscheidendes vergessen zu haben. Seit fast einer Stunde versuche ich krampfhaft, mich daran zu erinnern, aber ich zermartere mir das Gehirn vergebens, ich komme zu keinem Ergebnis. Verdammt, es gibt eigentlich auch nichts Wichtigeres als meine bevorstehende Beförderung, oder? Dass es etwas mit letzter Nacht zu tun hat? Könnte sein, da ist irgend so ein Fetzen in meiner Erinnerung ... nur, ich weiß absolut nichts. Nicht, wie ich nach Hause gekommen bin, nicht, wie ich in mein Bett oder auf die Couch gekommen bin, nicht, was ich getrieben habe ... oder mit wem. Ich kann mich einfach an nichts erinnern, und an die wenigen Fetzen, die sich in meiner Erinnerung halten, komme ich auch nicht ... Blackout, Filmriss. Mein Schädel pocht immer noch im Takt meines Herzschlags, und das Kratzen in meinem Hals lässt zumindest darauf schließen, dass ich viel zu viel geraucht und getrunken habe. Aber der Rest? Völlig im Dunkeln.
Und ich habe absolut keine Ahnung, wo mein Wagen abgeblieben ist! Das zwingt mich dazu, Ducky anzurufen, einen Bekannten aus der Szene, der irgendwie ... unheimlich ist, denn er weiß alles, kennt jeden und nutzt seine Beziehungen zu allem und jedem schamlos aus. Und ich brauche den Jeep morgen ... ich stelle mich doch nicht mit Anzug und Aktenkoffer in die U-Bahn, das ist stillos. Also greife ich seufzend zum Telefon.
»Brix hier, kannst du mir einen Gefallen tun?«
20
Brix
Boah, ich fasse es einfach nicht. Selbst bei meiner heutigen Laune ... und nach zwei Flaschen Prosecco zur Feier des Tages ... ich schaffe es einfach nicht, drei Stunden über Finanzen zu reden und dabei nicht genervt zu werden. Ja, zugegeben, meine Schuld, ich habe Ducky eingeladen. Immerhin, er hat es geschafft, mein Auto zu finden. Und wenn ich daran denke, dass ich demnächst als Niederlassungsleiter viel mehr Kohle verdienen werde als bisher, aus der möglichst noch mehr Kohle werden soll, war das Gespräch auch notwendig ... aber drei Stunden lang??? Frühstücken wollte ich sowieso. Ich konnte ja nicht ahnen, dass es so schwierig werden würde, Ducky danach loszuwerden. Einfach aufstehen und gehen, hat nicht funktioniert. Und die fröhliche Eröffnung, dass er in meine Richtung muss, und die Tatsache, dass ihn nicht mal die U-Bahn abschrecken konnte, war auch ein Faktor, den ich nicht bedacht habe. Scheint so, als würde Ducky immer noch auf das eine Mal mit mir hoffen, dass er nicht bekommen wird. Klar, Ducky ist nicht hässlich, er macht sogar eine ziemlich gute Figur, aber er ist so ... langweilig ...! Was ich damit meine, ist, dass er mit einer unglaublichen Begeisterung vom Geld anderer Leute redet, was ich wirklich einschläfernd finde. Er scheint seinen Job bei der Bank sehr zu lieben. Ob das damit zusammenhängt, dass er Dagobert heißt?
Egal, wir sitzen mittlerweile in der U9, und meine Haltestelle ist nicht mehr ganz so weit entfernt. Die paar Minuten halte ich nun auch noch aus, und es besteht ja immer noch die Chance, dass er vor mir aussteigt, oder? Ein Lichtblick.
»Wie gesagt, in Anbetracht der instabilen Marktlage, kann ich dir auf gar keinen Fall Aktien empfehlen. Du solltest lieber ...« Interessiert schauen, und die Ohren auf Durchzug schalten ... und ab und zu »jaja« oder »mhm« sagen. Guter Plan, der meine Gedanken befreit und davondriften lässt ... zu gestern Abend. Beunruhigende, fast ängstigende Erlebnisse in der Villa, inklusive Rausschmiss, sind meine letzten Erinnerungen – dabei wollte ich doch gerade die vergessen. Dafür befindet sich dann meine Autofahrt nach Schöneberg, wo Ducky zufolge vor dem »Peaches« mein Jeep parkt, völlig im Dunkeln, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt noch nüchtern gewesen sein muss. Das ärgert mich, allerdings nicht halb so viel wie dieses ungute Gefühl, das sich seit vorhin in meiner Bauchhöhle hält und das ich – trotz meiner guten Laune seit heute Morgen – nicht abschütteln kann. Eines weiß ich ... dass ich durch den Filmriss etwas sehr Wichtiges vergessen habe. Und damit meine ich nicht, wie ich nach Hause gekommen bin, sondern eine Erkenntnis, zu der ich gelangt bin ... und die mir anscheinend ganz und gar nicht gefallen hat.
21
Shahin
Als ich aufwache, stelle ich wieder einmal fest, dass geregeltes Ausschlafen wirkliche Wunder wirkt. Auch wenn ich im Tran erst einmal neben mich taste, ob da jemand liegt oder nicht, geht es mir doch eigentlich gut. Sonntag, mein Wohlfühltag. Ich lasse mich entspannt zurück in
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