Poison (German Edition)
– und zwar das, was mir gerade passiert ist. Ich bin wieder einmal im »Peaches«, einer Cocktailbar in Schöneberg, also mitten im schwulen Bermudadreieck, als ich diesen superniedlichen Typen an der Bar treffe, der total angetrunken ist und ich – man ist ja fair – nicht die sich bietende Gelegenheit nutzen werde, ihn abzuschleppen, sondern mein Helfersyndrom ausleben und ihm also helfen werde, unbeschadet, ohne ausgeraubt oder verprügelt zu werden, nach Hause zu kommen.
Ich steige also in mein Auto, nachdem ich ihm geholfen habe, einzusteigen und frage galant: »Wo soll’s hingehen?«
Brix, so heißt der Typ, grinst mich an und meint: »Das gehdischn Scheissssan!«
Nun ist es ja nicht so, dass ich keine Erfahrungen mit Betrunkenen hätte, ich bin Polizist, und da erlebt man schon einiges. »Eben hast du doch noch gesagt, ich soll dich mitnehmen, Brix«, lächele ich ihn an. »Wohin’n?«, fragt er mich. Ich seufze, soll ich ihn mit zu mir nehmen und auf der Couch schlafen lassen? Nein.
»Das wollte ich von dir wissen.«
Brix legt seine Stirn in Falten und schaut mich mit Dackelblick an. »Okaaaay, wenn’u so fraahsssd... dann’su Connnmboy.«
Jetzt muss ich wirklich überlegen ... Common Boy? Condom Boy? Come Boy? Nie gehört. Nachfragen. »Gut. Straße? Hausnummer?« – »Woher sollichndss wssen? Du bisss doch der Tasssifaaa!« – »Ich bin kein Taxifah... Ach, egal. Meinst du ... – Brix? Brix! Nicht einschlafen. Meinst du nicht, du hast genug für heute? Willst du nicht nach Hause, schlafen?« – »NEIN!«, krakeelt er, »’sch musss suers’su Connnmboy. ’s iss wir... würklll... ech’drinnngnd. Los, faaa!« – »Aber ich kenn den Laden überhaupt nicht.« – »Laadn? Was’n für’n Laadn?« Okay, noch mal. »Das Condom-Boy. Da wolltest du doch eben noch hin.« Ich bewundere langsam echt meine Geduld.
»Ds’ss doch kein Ladn. Ds’ss’n Typ ... ’n ganz fiiiiesa. Der pagdisch un lässdisch nie mea los. Ja, so isser. Tüggischa Kerl.«
So – türkischer Kerl? Ach nein, er meint »tückisch«. Fragen wir doch mal. »Und warum willst du dann zu ihm, wenn er doch so fies und tückisch ist?«
Er denkt nach, und meint dann: »Weila... weila... weila mir was schuld’.« – »Was denn?« – »Dss’isses ja! ’sch weiss’s nich. Abba isch kannnnn’nisch vergessn.«
Ich ahne was ... Also gleich die Probe aufs Exempel. »Was kannst du nicht vergessen?« – »IHN! Erss imma da drinn’n, un... un... gehd nüsch weg, wasisch auch mach.« – »Und was macht er in deinem Kopf, Brix?« – »Durschnnanda, selbswenna nisch da iss. Un wenn doch, dann weissisch ganix mea. Wer bissu nochma? Siehs’su, schon wieda!«
Ich verfluche meine Idee, noch mal ins »Peaches« zu gehen ... »Ich bin Frank. Du hast mir an der Theke im »Peaches« einen ausgegeben. Erinnerst du dich?« – »Jajajahaaa. Un’du wolls nüsch. Hassd ’esaagd: ’sch muss noch faahn, weiss’de.«
Ahhh... und nun erhelle ich ihn mit meiner Weisheit. »Genau. Und ich weiß noch was. Das nennt sich Liebe.«
»Huh?«
18
Brix
Condom-Boy sieht mir tief in die Augen. »Ich weiß, was du brauchst.« Oh, ja, das weißt du. Ohne den Blick abzuwenden, bückt er sich und zieht mir die Hose über die Hüften, sehr langsam ... als es an der Tür läutet. Verdammt! Ausgerechnet jetzt. Ach, was soll’s, ich lasse es klingeln, denn wer draußen steht, soll später wiederkommen oder sich verpissen. Aber es hört nicht auf zu klingeln, und es ist ein seltsames Schellen ... vielleicht das Telefon? Ich drehe mich im Bett um, taste danach, komme aber nicht ganz ran, werfe das Telefon vom Nachtschränkchen, kriege das Kabel zu fassen, öffne dabei die Augen ... und mache sie gleich wieder zu. Schock! Hell! Und das verdammte Telefon klingelt immer noch, und mein Kopf platzt gleich, weshalb ich abnehme, um nur diesem verdammten Klingeln ein Ende zu bereiten.
»Was?«, raunze ich hinein. Nicht mit meiner Stimme. Aber das Einzige, was mir außer dem Klingeln noch ins Ohr schallt, ist das Freizeichen.
Nanu? Es dauert eine ganze Weile, bis mein vernebeltes Hirn begreift, dass das Klingeln von meinem Handy kommt, das in meiner Hosentasche steckt. Die Hose habe ich irgendwo schräg links vor meinem Bett fallen gelassen. Zu weit weg, um danach zu greifen. Also beschließe ich, nicht dran zu gehen – wofür gibt es eine Mailbox? Ich lasse mein Telefon achtlos neben das Bett fallen, und mich zurück in die Kissen. Stille. Ahh, wie
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