Poison (German Edition)
dessen hierbleiben und ... ja, was eigentlich?
»Mich entschuldigen ... und ...« Seine Gedanken überschlagen sich. »Meine Lüge zur Wahrheit machen ...«, denkt er. Was für eine Lüge? Ich erstarre innerlich, als ich realisiere, welche Lüge er meint. Wär’ ja eigentlich nichts dagegen einzuwenden, wenn ich nicht schon so verliebt wäre.
»Und?« Ich werde wieder eine Spur kälter. Okay, Baby. Wenn du mich ’rumkriegen willst, musst du dir etwas mehr Mühe geben.
»Es tut mir leid, aber ... ich ... ich ... ich will dich ...«
Ich schaue ihn ungläubig an. Was hat er gerade gesagt??? Er will ... mich? Bist du dir sicher?
»... kaufen.«
Jetzt muss ich schlucken. Und mich zusammenreißen, sonst gieße ich ihm meinen Tee über den Kopf. Nicht, dass ich beleidigt wäre. Mit solchen Enttäuschungen muss man in diesem Job rechnen. Nur, ich sollte jetzt schnell auf professionell umschalten, sonst werde ich emotional. Den Gedanken, dass ein solches Verhalten eben doch zu ihm passt, verdränge ich lieber ganz schnell, sonst wird mir wieder bewusst, dass das gar nicht stimmt. Also packen wir den Profi aus.
»Zu mir oder zu dir?«
Merde, normalerweise kommt kein Kunde in meine Wohnung! Warum biete ich ihm das an? Weil ich möchte, dass er mich liebt? Quatsch. Er wird mich nicht lieben. Er wird mich ficken, und dann wird er mich gehen lassen und sich den Nächsten suchen. Und ich werde mich ficken lassen und dann aus seinem Leben verschwinden und darum beten, dass ich nie wieder an ihn denken muss.
»Zu mir«, antwortet er, und obwohl er eigentlich ein Kunde ist, bin ich einerseits erleichtert, dass er es mir so einfach macht, ihn zu vergessen – den Anblick seiner Anwesenheit in meiner Wohnung zu verdrängen, dürfte mir schwerfallen, und ihm ein Stück meiner Persönlichkeit zu offenbaren, ist auch nicht gerade einfach, zumal er das Vertrauen nicht zu würdigen wissen wird. Andererseits bekomme ich dadurch seine Adresse. Also laufen wir zu ihm. Er wohnt direkt auf der Schlossstraße, am hinteren Ausgang der U-Bahn-Station, keine zweihundert Meter vom Torbogen zu meiner Straße entfernt.
49
Brix
Natürlich habe ich Angst vor dem Gespräch, das nachher kommen wird, weshalb ich zuerst meine Wohnung aufräume (falls ich ihn anschließend hierher ... uhm... einladen darf), etwas zu trinken und ein bisschen Obst einkaufe – sagte ich schon, dass ich es hasse, zu kochen? Wozu gibt es Lokale, und für zu Hause müssen es ein paar Fertiggerichte und Obst schon tun ... außerdem lohnt sich die Mühe doch gar nicht! – mich dann auf die Couch fläze und beschließe, gar nicht mehr über das Gespräch nachzudenken und mich lieber noch ein bisschen entspanne. Ich schließe kurz die Augen, und als ich das nächste Mal auf die Uhr schaue, ist es Viertel nach vier. Schock! Ich bin in einer Viertelstunde verabredet, und ich hasse es, zu spät zu kommen. Also, schnell anziehen, raus aus der Wohnung und runter ins Café, in dem sich normalerweise die alten Tanten treffen, und die Omas mit ihren Enkeln Kaffee trinken und Kuchen essen. Eine Bastion des Spießertums versteht sich. Aber für diesen Zweck genau richtig, denn WENN es zum Eklat kommen sollte, ist es nicht so schlimm, denn in dieses Café gehe ich sowieso nie rein.
Eigentlich ist es auch dieses Mal kein »gehen«, eher ein »rennen« oder zumindest ein »eilen«, denn ich bin schon fast zu spät. Zum Glück ist er noch da, sitzt im hinteren Bereich an einem Tisch und scheint unkonzentriert. Der alte Brix meldet sich wieder und bemerkt, dass er wirklich yummy ist ... und sweet, wie er da sitzt, leicht nach vorne gebeugt, Tee trinkend, seine Lippen leicht mit seiner Zunge benetzend, aber ich verdränge den anderen Brix auch ganz schnell wieder, denn ich spüre, dass der andere Brix Angst bekommt vor der inneren Stärke Shahins, und noch eine Flucht will und darf ich mir nicht leisten. Also bin ich mutig und trete näher, warte ab, was er tut. Er scheint über irgendetwas nachzugrübeln, denn er nimmt mich nicht einmal wahr, als ich vor seinem Tisch stehe.
Bevor etwas auffällt, und um die sich bietende Chance zu nutzen, setze ich mich einfach dazu, warte weiter. Nach einem kurzen Moment schaut er nach oben und erkennt mich, stutzt, schluckt, schließt die Augen, ganz so, als könnte er nicht glauben, was er gerade sieht. Meine Verwirrung steigt, und ich hoffe, dass er mir eine Chance gibt. Aber noch schweigt er, starrt mich völlig durcheinander an ...
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