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Poison (German Edition)

Poison (German Edition)

Titel: Poison (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Alster
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meinen Hüften, und er weicht meinem Blick aus. Wie um ihn zu beruhigen, lege ich meine Arme unter seinen Achseln durch und umfasse seine Schultern. Bis jetzt ist noch kein Wort gefallen. »Das sollte ich ändern«, denke ich, als ich dieses klamme Schweigen zwischen uns realisiere. Schon alleine, um es ihm einfacher zu machen. Trotz der Distanz zwischen uns spüre ich ein Kribbeln entlang meiner Wirbelsäule, und zwischen unseren Becken scheint sich eine elektrische Spannung aufzubauen, deren Funken gegenseitig überspringen, zumindest fühlt es sich so an.
    »Hallo, Brix«, sage ich, um die Situation zu entspannen, zu entzerren, spüre ich doch seine heimliche Panik, dass ich einfach gehen, ihn alleine lassen könnte.
    Sein Blick wird fast flehend, und ich bin unheimlich froh darüber, dass er nicht schon wieder vor mir flüchtet, wegläuft, vor mir und vor sich selbst. Jetzt steht er hier, auch wenn er lieber weiter seine Maske tragen würde: die des erfolgreichen, gut aussehenden, smarten Typens, die er soeben endgültig fallen gelassen hat. Und so wie er mich gehalten hat, so halte ich nun auch ihn, stütze ihn durch die Erkenntnis, dass ich ihn eben nicht fallen lasse, solange er mich nicht wegwirft, so lange er mich nicht benutzt und verlacht wie im letzten Leben. Im letzten Leben? Wie ein Schlag trifft mich das Wissen, woher er mir so verdammt vertraut und vor allem so verdammt geliebt vorkommt. Ich zögere sekundenlang, während vor meinem inneren Auge ein Film abläuft von einem Leben inmitten von Pyramiden und Tempeln, in der Wüste, und einem Mann, den ich sehr geliebt habe, oder immer noch liebe? Und das Gefühl des Wiedererkennens erfüllt mich mit riesiger, lange nicht mehr gekannter Freude, auch wenn ich ganz genau weiß, dass er mich in diesem Leben (eines meiner ersten Leben) weggeworfen hat wie ein Stück Kamelmist.
    Aber genauso schnell wie dieses Gefühl der Nutzlosigkeit, des Nichts-dagegen-tun-Könnens, gekommen ist, verschwindet es auch wieder, fast so, als wollte es mir nur Warnung sein, nicht noch einmal die gleichen Fehler zu machen wie damals, mit und bei IHM.

    Keine Überheblichkeit, kein purer Egoismus und vor allem Gleichberechtigung. »Gut, es wird mir schwerfallen, in »diesem« Leben auf meinen Status als Priester zu pochen«, denke ich, und im nächsten Moment bleibt mir eigentlich nur noch das Wissen über den höheren Sinn unserer Begegnung und der daraus erwachsenen Chance für uns, für dieses Leben.
    ER dagegen scheint mein Zögern völlig falsch verstanden zu haben – wie soll er auch anders? – denn der Druck seiner Hände auf meinen Hüften wird ein klein wenig stärker, ganz so, als müsste er mich daran hindern, mich loszureißen und vor ihm wegzulaufen.

    »Nein«, denke ich und lächele ihm zu, »diesmal nicht.«
    Brix schaut mich immer noch an und öffnet den Mund, als ob er etwas sagen möchte, schließt ihn aber wieder.
    »Komm«, sage ich sanft und streichele seinen Rücken, um ihn zu beruhigen, zu stärken, »lass uns an die Bar gehen und reden.«
    Sein Verstand, sein Mund sagt »okay«, aber sein Körper spricht eine andere Sprache. Sein Körper würde mich am liebsten umfassen und halten, und mein Körper würde sich nicht mehr wehren, aber meine Vernunft und meine Erinnerung an gestern verhindern dies. Also gehen wir an die Bar, an der Frank, der Typ, der mich eben nach meiner Augenfarbe gefragt hat, immer noch alleine steht und anscheinend auf mich gewartet hat.

55
    Brix
     
    »Hey, Brix!« Gregor, ausgerechnet. »Wolltest du mich nicht anrufen?« Nein, wollte ich nicht. Du wolltest es.
    »Ich hatte viel zu tun«, weiche ich ihm aus.
    »Wann treffen wir uns wieder einmal? Ich hab’ bestimmt zehnmal versucht, dich anzurufen«, himmelt er weiter. Mann, raff’ es endlich. Jeden nur einmal, das gilt auch für dich.
    »Jaja«, antworte ich ihm gelangweilt, und Gregor mustert Shahin mit unverhohlenem Interesse.
    »Und wer bist du?«, fragt er ihn dann. Shahin grinst Gregor an und kontert: »Excusez-moi, je ne comprends pas. Parlez-vous français?« (»Entschuldigen Sie mich, ich verstehe kein Wort. Sprechen Sie Französisch?«)
    Gregor schluckt, beginnt zu stottern und kramt wahrscheinlich in den letzten Resten seines jämmerlichen Schulfranzösisch. Schließlich tippt er sich selbst mit der Hand auf die Brust und ruft »Gregor« dazu. Shahin lächelt und parliert mit unverbindlichem Lächeln weiter. »Je suis Shahin Comte de Carcassonne. Je ne comprends pas

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