Poison (German Edition)
schaut er mich an und steht auf.
»Ich gehe jetzt, Brix«, haucht er. »Ich denke, es ist ein guter Zeitpunkt dafür.« Ich schaue ihn verwundert an, er kann doch jetzt nicht einfach so gehen???
Doch, kann er schon, und er beweist es mir umgehend.
»Nimm’ dir alle Zeit, die du brauchst, und wenn du dir sicher bist, dass du mich an deiner Seite willst, als dein Mann, aber auch als dein Freund, dein Beschützer, dein Tröster und dein Halt, dann ruf mich an, hörst du?« Zum Abschied drückt er mir einen leichten Kuss auf meine Stirn, und dann geht er.
Ich sitze wie vom Blitz getroffen auf dem Barhocker und bin zu keiner vernünftigen Reaktion mehr fähig. Das Gefühl seiner Lippen auf meiner Stirn lässt immer noch bunte Sternchen vor meinen Augen kreisen, und der Nachgeschmack in meinem Herzen macht mich glücklich. Doch ich bin alleine, inmitten all dieser knutschenden Kerle, und ich ärgere mich darüber, dass er schon gegangen ist. Er hätte doch ruhig noch ein bisschen bleiben können, denke ich, und ich schaue, mehr aus Reflex, auf meine Uhr. Viertel nach fünf. Viertel nach fünf??? Ich stutze und frage dann den Barkeeper nach der Uhrzeit. »Viertel sechs«, sagt er, »also fünf Uhr fünfzehn« und deutet mit dem Kopf auf die große Uhr, die direkt über mir an der Wand hängt. Tatsächlich. »Viertel nach fünf« bedeutet zwei Dinge. Erstens, dass die U9 wieder fährt und ich jetzt eigentlich direkt in mein Bett gehen könnte. Mein Hals kratzt zwar nicht mehr so sehr, aber irgendwie fühle ich mich trotzdem komisch. So ... warm ... und meine Beine schmerzen. Und zweitens, dass ich mit ihm fast fünf Stunden verbracht habe, ohne dass es mir wirklich aufgefallen ist. Und er ist noch keine zehn Minuten weg, und schon vermisse ich ihn wieder.
56
Brix
»Immerhin, es war ein schöner Abend«, denke ich, als ich mich später in meinem Loft in mein Bett fallen lasse. Ich zittere wieder am ganzen Körper, als ich mich zudecke, und hoffe, dass es doch keine Grippe wird, die ich seit Tagen mehr oder weniger erfolgreich ignoriere. Dann fällt mir ein, dass Shahin vorhin erwähnt hat, dass er Sonntag immer in die Sauna geht. Während ich einschlafe und mir vornehme, morgen auch in die Sauna zu gehen, um mir den Virus aus dem Körper zu schwitzen und vielleicht IHN dort zu treffen, scheine ich einen kurzen Eindruck von Zufriedenheit meiner Tante aufzufangen, und falle in einen tiefen, traumlosen Schlummer.
Als ich erwache, bekomme ich erstmal keine Luft. Ich setze mich auf, so schnell es geht, und versuche krampfhaft zu atmen. Schon muss ich husten, gelb-bräunliche Ballen Schleim fliegen aus meinem Rachen auf die Bettwäsche – Pfui! Na ja, muss eh in die Wäsche – und danach bekomme ich wieder Luft, wenn auch nur rasselnd. Zeit für die Sauna. Wie spät? Vierzehn Uhr. Okay, also aufraffen, kleine Katzenwäsche, Tasche packen und ab zur U-Bahn, denn auf Auto und Innenstadt habe ich keine Lust. Ich stehe noch nicht richtig auf der Straße, da stelle ich fest, dass ich auch keine U-Bahn fahren werde. Taxi ist angesagt. Zum Glück habe ich die Nummer von den »Berliner Kutschern«, einer kleinen, aber feinen Zentrale für Taxifahrer in Berlin, im Handy eingespeichert, sodass es kein Problem ist, ein Taxi zu bekommen, das mich zur Sauna bringt. Wobei ich eigentlich die Sauna gar nicht mehr bräuchte, so, wie ich schwitzen muss, aber die Aussicht darauf, IHN dort zu treffen, macht eigentlich alle Anstrengung wieder wett.
Obwohl mir beim Aussteigen aus dem Taxi wieder schwindlig wird, betrete ich tapfer die Sauna, die ziemlich leer ist, nur acht oder neun Gäste, wie der Kassierer mir sagt und mich dabei anhimmelt, es wäre ihm egal, wer noch da sei, Hauptsache, ich sei da. Buäh! Muss das sein? Also umziehen, ab unter die Dusche, Zähne zusammenbeißen, die bunten Sternchen vor den Augen verdrängen, unauffällig an der Wand festhalten, um nicht umzufallen, denn die Knie sind ganz schön weich, dann das Wasser den Körper entlangprasseln lassen ... es dauert eine ganze Weile, aber dann bin ich soweit in Form, dass ich nicht nur saunieren, sondern auch ficken kann, wenn sich denn was ergibt ... und wenn ER da sein sollte, werde ich die Chance nicht ungenutzt lassen, rede ich mir ein.
Also mache ich einen ersten Rundgang durch die Sauna und stelle fest, dass alle anwesenden sieben Typen deutlich in mein Raster fallen, und zwar ausnahmslos. Auch wenn zwei davon die absoluten Tucken sind, sehen sie doch nach
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