Poison (German Edition)
etwas freundlicher als vorher. »Lass mich raten«, er schaut mich plötzlich prüfend an. »Du hattest noch nie einen Freund, nehme ich an. Immer nur Sex, richtig?« – »Reicht doch auch«, entgegne ich trocken. »Es ist Befriedigung, sonst nichts. Solange mein Partner macht, was ich will und ich meinen Spaß habe, kommt es auf den Rest nicht an, nicht wirklich zumindest.«
Shahin grinst. »Siehst du? Ich hatte schon ein paar Beziehungen, und für mich ist ein Partner zwar nicht unbedingt lebensnotwendig ... aber es ist sehr angenehm, einen zu haben. Auch wenn er dir nur den Rücken wäscht«, grinst er.
Ich schaue ihn an, bin mir nicht sicher, was er damit sagen möchte. »Hey«, sagt er leise und beugt sich zu mir. »Ist ja schon o.k., entscheide einfach, was du möchtest. Ich warte auf dich, okay?« Dann küsst er mich auf die Lippen, ganz sachte, aber doch so voller Energie, dass ich Sternchen sehe, als ich meine Arme um ihn zu schließen versuche, was mir nicht gelingt, weil ich zu sehr darauf warte, was als Nächstes geschieht, den nächsten Schritt erwartend, erhoffend, doch er bleibt aus, Shahin löst sich von mir, geht ein paar Schritte rückwärts und verschwindet dann in seiner Umkleidekabine.
Und ich in meiner, denn ich möchte fertig sein, wenn er geht, denn darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
59
Shahin
Warum ich so reagiert habe? Weil mir klar geworden ist, dass er wirklich nicht anders kann. Weil ich begriffen habe, dass er mich liebt, es aber nicht umsetzen kann und wird, weil er eben weder Erfahrung mit der Liebe oder anderen Menschen hat, noch sich traut, neue Wege zu gehen. Da er offensichtlich niemanden hat, der ihm hilft – also auch keine Freunde oder so – werde ich ihm, wenn er mir wirklich etwas bedeutet, und das tut er inzwischen, dabei helfen müssen, ohne dass er merkt, dass ich die Finger im Spiel habe. Deshalb bin ich auf das Spiel eingegangen, deshalb habe ich ihm gezeigt, dass er mit mir – mit keinem! – so umgehen darf, wie er es getan hat, und deshalb habe ich es ihm erklärt, ihm verziehen. Und ich hoffe, dass er es begriffen hat. Immerhin, er hat zugegeben, dass er mir was schuldet. Tut er. Mindestens mal einen Orgasmus, denn da er nur Sex kennt, wird er auch nur in diesen Kreisen denken. Und ich schulde ihm die Gefühle, die Küsse dabei. Also wird es wohl oder übel eine zweite Nummer geben, obwohl es mir einerseits nicht gefällt, und mich andererseits ziemlich erregt – wie gesagt, ich habe es als äußerst angenehm empfunden, von ihm genommen zu werden, ohne mich wehren zu können, weil er mich festgehalten hat. Der Sex mit ihm war nämlich echt gut, im Nachhinein betrachtet. Aber nur Sex? Nope.
Den Geräuschen aus der Nachbarkabine nach zu schließen, zieht er sich auch um. Okay. Mal sehen, was sich entwickelt. Er scheint fertig zu sein, als ich auch fertig bin. Klar, mit dieser Frisur muss er sich nicht föhnen, einfach durchstrubbeln reicht. Nicht bei mir, ich brauche einen Fön, und das dauert. Mit meiner Tasche verlasse ich meine Umkleidekabine, vor der er steht, sich die Schuhe zubindet, hustet. Hustet? Nicht, dass ich nicht die schwarzen Flecken auf seiner Lunge gesehen hätte. Das »geh zum Arzt« war schon angemessen, sieht nach einer beginnenden Lungenentzündung aus. Aber jetzt schon einmischen? Nein. Ich werde ihn im Auge behalten, beschließe ich. Wenn er gefährdet ist, kann ich immer noch handeln. Die alten Hausmittel kenne ich nämlich, und die werden schon wirken. Ich trete neben ihn und beginne, mir meine Haare zu kämmen und zu föhnen. Er schwankt leicht und geht zum Ausgang.
»Tschüss, Shahin«, sagt er, plötzlich seltsam drauf. »Ich ruf dich an, okay?«
Moment mal. Ich mustere ihn, unter Einsatz meiner Gabe. Scheint ihm ziemlich mies zu gehen.
»Soll ich dich nach Hause bringen?«, frage ich ihn.
»Danke, ich nehme ein Taxi.«
Na hoffentlich. Ob ich von meinem Balkon aus seine Wohnung sehen kann?
60
Brix
Alles, solange ich nur meine Schwäche nicht noch offener zeigen muss. Ich habe ihm schon genug offenbart, er soll nicht denken, dass ich schwach bin oder so. Auch wenn ich gerade das Gefühl bekomme, dass die Sauna in mir weitergeht, denn ich bin schon nass geschwitzt, als ich ins Taxi einsteige. Nichts wie heim, denn schwindlig wird mir auch wieder. Ich schaffe es gerade noch in den Aufzug, dann gehen mir die Lichter aus.
Wach werde ich am nächsten Morgen gegen elf in meinem Bett. Nicht, dass ich
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