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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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gehörte Ihnen die ganze Insel.«
    Im ersten Augenblick dachte er, sie sei betrunken. Auch Frauen trinken, sogar Amerikanerinnen. Dann sah er Hess und Martschuk aus dem Hotel kommen, gefolgt von George Morgan. Alle drei waren in Hemdsärmeln, aber der Kapitän trug immerhin noch seine Mütze.
    »Nun, was haben Sie heute für eine Story auf Lager?« fragte Susan. »Wie lautet das amtlich beglaubigte Märchen des Tages?«
    »Sina hat Selbstmord begangen«, sagte Arkadi.
    »Und zur Belohnung läßt man Sie an Land gehen? Ergibt das für Sie einen Sinn?«
    »Nein«, gestand Arkadi.
    »Versuchen wir’s doch mal andersrum.« Sie wies mit dem Finger auf ihn wie mit einem Stock, den man gegen eine Schlange richtet. »Sie haben Sina umgebracht, und als Belohnung dafür dürfen Sie an Land. Das ergibt einen Sinn.«
    Morgan packte Susan am Ärmel und zog sie von Arkadi fort.
    »Willst du gefälligst erst nachdenken, ehe du solche Behauptungen in die Welt setzt?«
    »Ihr Scheißkerle!« Wütend machte sie sich von Morgan los. »Wahrscheinlich habt ihr das sogar zusammen ausgekocht.«
    »Ich bitte dich doch nur«, beschwichtigte Morgan sie, »dir zu überlegen, was du sagst.«
    Sie versuchte sich erneut Arkadi zu nähern, indem sie um Morgan herumging, doch der stellte sich ihr mit ausgebreiteten Armen in den Weg.
    »Ein feines Paar seid ihr, wirklich!« rief sie verächtlich.
    »Nun beruhige dich doch!« Morgan redete auf Susan ein, als hätte er ein Kind vor sich. »Sag nichts, was wir hinterher alle bereuen müßten. Ich kann sehr unangenehm werden, Susan. Das weißt du.«
    »Zwei Scheißkerle, ein ideales Paar.« Angewidert wandte sie sich ab und sah hinauf in den Abendhimmel - das war, Arkadi wußte es nur zu gut, ein Trick, um die Tränen zurückzuhalten.
    Morgan versuchte es noch einmal: »Susan …« Aber sie brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen und ging ohne ein weiteres Wort zurück zum Hotel.
    Morgan bedachte Arkadi mit einem verkrampften Lächeln. »Tut mir leid, ich weiß auch nicht, was das sollte.«
    Susan schob sich an Martschuk und Hess vorbei und verschwand im Hotel. Die beiden sahen ihr verwundert nach, dann traten sie zu Morgan und Arkadi auf den Platz hinaus. Das Glitzern in Martschuks Augen verriet, daß er sich bereits ein oder zwei Drinks genehmigt hatte. Mittlerweile war es so kalt geworden, daß der Atem in kleinen Wölkchen von Mund und Nase aufstieg. Nach Susans vehementem Abgang verharrten die vier Männer einen Moment in peinlichem Schweigen.
    »Man muß ihr zugute halten«, sagte Morgan endlich, »daß sie es eben erst erfahren hat . Ihr Nachfolger ist überraschend nach Seattle zurückbeordert worden. Susan wird also auf der Polar Star bleiben müssen.«
    »Das wird’s sein«, sagte Arkadi.
    Arkadi und die beiden anderen Russen tranken Bier an einem plastiküberzogenen Redwood-Tisch. Als von hinten jemand mit dumpfem Aufprall gegen die schulterhohe Plastiktrennwand zur Bar fiel, bemerkte Martschuk: »Wenn Amerikaner sich betrinken, werden sie laut. Ein Russe dagegen wird im Suff besinnlich. Er trinkt, bis er mit Anstand umkippt, wie ein Baum.« Gedankenverloren blickte er in sein Glas. »Sagen Sie, Renko, Sie werden uns doch nicht davonlaufen?«
    »Nein«, sagte Arkadi.
    »Sehen Sie, es ist eine Sache, einen Mann aus der Schmutzbrigade abzuziehen und ihm zu erlauben, sich frei an Deck zu bewegen. Aber ihn vom Schiff runterzulassen, das ist eine riskante Geschichte. Was glauben Sie, erwartet einen Kapitän, dessen Seeleute desertieren? Und was droht wohl einem Kapitän, der einem Mann mit einem Zweiter-Klasse-Visum Landurlaub gewährt?«
    Er beugte sich vor und maß Arkadi mit durchdringendem Blick. »Sagen Sie’s mir.«
    »Wäre möglich, daß die in Norilsk noch einen Nachtwächter gebrauchen könnten.«
    »Ich will Ihnen sagen, was passieren würde. Ich würde Sie jagen und mit meinen eigenen Händen umbringen. Natürlich haben Sie mein aufrichtiges Mitgefühl, aber ich dachte, Sie sollten wissen, wie Sie dran sind.«
    »Prost!« Arkadi wußte einen ehrlichen Mann zu schätzen.
    »Meinen Glückwunsch!« George Morgan zog sich einen Stuhl an den Tisch und stieß ebenfalls mit Arkadi an. »Wie ich höre, haben Sie das Rätsel gelöst. Selbstmord, wie?«
    »Sie hat einen Abschiedsbrief hinterlassen.«
    »Na so ein Glück!« Morgan hatte seinen Gleichmut zurückgewonnen und war wieder ganz Herr der Lage. Er war kein schwarzbärtiger Tiger wie Martschuk und auch kein geheimnisumwitterter

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