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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Kobold wie Hess, sondern von Kopf bis Fuß ein Routinier, in dessen unbewegtem Gesicht nur das wache blaue Augenpaar Leben verriet.
    »Wir haben eben darüber gesprochen, was Dutch Harbor doch für ein sonderbarer Ort ist«, sagte Hess verbindlich.
    »Tja, wir sind hier näher am Nordpol als an den Vereinigten Staaten. Kein Wunder, daß einem da mitunter ein bißchen sonderbar zumute ist«, sagte Morgan.
    Ungewohnt, dachte Arkadi. Eine russische Kneipe war ruhig, ein Treffpunkt für gesetzte Männer, doch diese Bar explodierte förmlich vor Geräuschen. An der Theke drängten sich hochgewachsene Männer, langhaarig und bärtig, in karierten Hemden und Mützen, die so entspannt wirkten, daß es nur natürlich schien, wenn hin und wieder einer dem anderen auf die Schulter klopfte oder wenn jemand aus der Flasche trank. Ein langgestreckter Spiegel über einer blitzenden Flaschenbatterie verdoppelte das lärmende Gedränge optisch noch. In einer Ecke spielten ein paar Aleuten Poolbillard. An einigen Tischen saßen Frauen, Mädchen mit abgehärmten Gesichtern und blondgefärbtem Haar, aber niemand nahm so recht Notiz von ihnen, bis auf Ridley, der ein paar von ihnen um sich versammelt hatte. Morgans Ingenieur hob sich im übrigen auch dadurch von den übrigen Gästen ab, daß er ein Samthemd trug und ein Goldkettchen auf der Brust. Er sah aus wie ein Renaissance-Fürst, der sich unter seine Bauern gemischt hat.
    Ridley kam herüber und tippte Arkadi auf die Schulter. »He, Sie, die Damen möchten wissen, ob Sie einen Schwanz mit zwei Köpfen haben?«
    »Was ist denn hier das Normale?« fragte Arkadi.
    »Normal? Das Wort existiert hier nicht. Sehen Sie sich doch nur mal um! Lauter abenteuerlustige amerikanische Seeleute, die auf euch Kommunisten angewiesen sind. Ist doch wahr, Mann! Die Banken haben den Fischern sogar ihre Eier gepfändet, weil die armen Teufel sich während des Krabbenbooms alle bis über die Ohren verschuldet haben. Unser leichter Golfkahn ist ja ursprünglich auch wegen der Krabben hier hoch. Und als die Viecher dann plötzlich ausblieben, fing das große Elend an: Alles futsch - Schiffe, Ausrüstung, Autos, Eigenheime. Wenn wir nicht mit euch auf Fischfang gingen, müßten wir wahrscheinlich an irgend’ner gottverlassenen Tankstelle Benzin zapfen. Aber achtundsiebzig seid ihr dann auf der Bildfläche erschienen und kauft seitdem, was auch immer uns ins Netz geht. Danken wir Gott für die internationale Zusammenarbeit. Dem großen Bruder in Washington sind wir doch so was von egal. Verdrehte Verhältnisse, die sind hier das Normale.«
    »Was verdienen Sie?«
    »Ich? So zehn-, zwölftausend im Monat.«
    Arkadi nahm an, daß er für seinen Sold bei einem realistischen Schwarzmarktkurs etwa hundert Dollar bekam.
    »Verdrehte Welt«, gestand er ein.
    Die Aleuten in ihrer Ecke konzentrierten sich düster und melancholisch auf ihren Pooltisch unter der Leuchtstoffhängelampe. Sie trugen Parkas, Mützen und dunkle Brillen; das heißt, alle bis auf Mike, den Decksmann von der Eagle. Er hielt die Luft an, als der Spielball gefährlich nah an ein Loch heranrollte, versenkte gleich noch eine weitere Kugel, hätte sich dabei allerdings um ein Haar einen Fehlstoß eingehandelt. Vor einer der Wände standen tuschelnd und kichernd drei AleutenMädchen in hellen, wattierten Mänteln. Ihnen gegenüber saß ganz allein ein weißes Mädchen, das Kaugummi kaute und nur Augen für Mike und sein Spiel zu haben schien.
    »Die ganze Insel ist Eigentum der Aleuten«, sagte Ridley zu Arkadi. »Während des Krieges hatte die Marine sie vertrieben, aber dann kam Carter und gab ihnen den Kuchen zurück. Sie haben es also gar nicht nötig, auf Fang zu gehen. Mike macht das nur, weil er das Meer so sehr liebt.«
    »Und Sie?« fragte Arkadi. »Lieben Sie es auch, das Meer?«
    Ridley hatte sich das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und aus zwei Strähnen über den Ohren Zöpfchen geflochten. Seine ironisch lächelnden Augen blitzten, als stünden sie unter Strom. »Ich hasse es, verdammt noch mal. Stahl auf Wasser schwimmen zu lassen, das ist doch wider die Natur. Diese Salzbrühe da draußen ist unser Feind. Selbst Eisen zerstört sie. Das Leben ist kurz genug.«
    »Ihr Kollege Coletti war doch früher bei der Polizei, nicht wahr?«
    »Ein Streifenpolizist, aber kein zweisprachiger Kriminaler wie Sie. Es sei denn, Sie zählen sein Italienisch.«
    Der Scotch kam, und Morgan schenkte ein.
    »Was mir auf See am meisten

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