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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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glücklichen Menschen.«
    »>Glück ist das Freisein vom Schmerz.<« Ridley kippte seinen Scotch in einem Zug hinunter und stellte das Glas ab. »So, jetzt bin ich glücklich. Sagen Sie«, wandte er sich an Arkadi, »die Arbeit da unten in der Schmutzbrigade, in Kälte und Nässe zwischen all den stinkenden Fischabfällen, macht Sie das glücklich?«
    »Wissen Sie«, entgegnete Arkadi, »wir von der Schmutzbrigade halten uns an ein anderes Sprichwort: >Glück ist die größtmögliche Übereinstimmung von Realität und Wunschdenken.««
    »Gute Antwort, Renko, darauf trinke ich!« rief Morgan. »Ist das Tolstoi?«
    »Nein, Stalin«, sagte Arkadi. »Sie sehen, die sowjetische Philosophie ist voller Überraschungen.«
    »Aus Ihrem Mund bestimmt«, meinte Susan trocken. Arkadi hatte keine Ahnung, wie lange sie schon neben ihrem Tisch gestanden haben mochte. Ihr nasses Haar war straff zurückgekämmt, die feuchten Wangen schimmerten blaß, wodurch das Rot ihrer Lippen und das tiefe Braun ihrer Augen noch hervorgehoben wurden. Dieser Kontrast verlieh ihr eine neue, intensive Ausstrahlung.
     
    Ridley und Coletti waren losgezogen, um eine Kartenrunde zusammenzutrommeln. Martschuk hatte sich aufs Schiff zurückbringen lassen, damit auch Wolowoi in den Genuß des Landgangs kam. Wenn der Erste Maat erst erfuhr, daß Arkadi in Dutch Harbor war, würde er ihm nachsetzen wie ein geflügelter Henker. Aber selbst zwei Stunden an Land waren besser als keine. Sogar in dieser verrauchten Bar hatte Arkadi hier auf dem Festland doch jede Minute das Gefühl, endlich wieder klare und reine Luft zu atmen. Obwohl der Lärmpegel stetig anschwoll, nahm Arkadi ihn immer weniger wahr. Susan hatte sich mit angezogenen Beinen auf einen Hocker gesetzt, ihr Gesicht lag unter dem Kranz goldblonden Haars im Schatten. Der Panzer der Feindseligkeit, hinter dem sie sich bisher verschanzt hatte, schien einen Riß davongetragen zu haben, und darunter kam eine Person zum Vorschein, die dunkler und vielschichtiger zu sein versprach, als Arkadi erwartet hätte.
    »Ich verabscheue Wolowoi, und trotzdem fällt es mir leichter, ihm zu vertrauen als Ihnen.«
    »Stellen Sie mich auf die Probe.«
    »Setzen Sie sich ein für Wahrheit, Gerechtigkeit und die neue sowjetische Denkrichtung?«
    »Ich setze meinen Verstand ein, um von diesem Schiff runterzukommen.«
    »Das ist ja der Witz. Wir müssen beide zurück, und dabei bin ich noch nicht mal Russin.«
    »Kündigen Sie doch einfach.«
    »Kann ich nicht.«
    »Und wer zwingt Sie zu bleiben?« fragte Arkadi.
    Sie zündete sich eine Zigarette an, goß Scotch über das Eis in ihrem Glas und schwieg.
    »Dann werden wir also gemeinsam leiden«, sagte Arkadi.
    George Morgan und Hess bedienten sich mit von ihrer Flasche.
    »Stellen Sie sich nur mal vor«, sagte Hess, »wie es wäre, wenn wir tatsächlich alles als Joint-venture aufziehen würden.«
    »Sie meinen, wenn wir wirklich kooperierten?« fragte Morgan.
    »Das Mißtrauen über Bord werfen und aufhören mit dem Versuch, uns gegenseitig fertigzumachen. Im Grunde wären wir doch natürliche Verbündete.«
    »Wir könnten die Japaner übernehmen und ihr die Chinesen.«
    »Die deutsche Teilung erhalten wir gemeinsam aufrecht.«
    »Wie stellen Sie sich die Hölle vor?« fragte Susan.
    Arkadi überlegte. »Als Parteikongreß. Mit vierstündiger Ansprache des Generalsekretärs. Nein, es müßte eine ewige Ansprache sein. Die Delegierten liegen herum wie die Flundern und müssen sich eine Rede anhören, die kein Ende nimmt.«
    »Für mich wäre ein Abend mit Wolowoi die Hölle. Und ich müßte ihm beim Gewichtheben zuschauen. Entweder er oder ich, einer von beiden wäre nackt. So oder so, es wäre entsetzlich.«
    »Er nennt Sie Suusan.«
    »Genau wie Sie. Gibt es einen Namen, den Sie besser aussprechen können?«
    »Irina.«
    »So, Irina … Wie sieht sie aus?«
    »Hellbraunes Haar, braune Augen, aber sehr dunkel. Hochgewachsen. Sprühend vor Leben und Seele.«
    »Sie ist nicht auf dem Schiff.«
    »Nein.«
    »Wartet sie zu Hause auf Sie?«
    Arkadi wechselte das Thema. »Sie sind sehr beliebt auf der Polar Star.«
    »Ich mag euch Russen auch, aber ich kann es nicht leiden, wenn man mir Wanzen in die Kabine schmuggelt. Ich brauche bloß mal zu erwähnen, daß Butter fehlt, schon serviert man mir einen ganzen Teller voll. Bernie diskutiert mit einem Matrosen über ein politisches Thema, und im Nu wird der Mann vom Schiff entfernt. Anfangs versucht man, nirgends anzuecken und

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