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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Luftzug entgegen, unter dem Arkadi sich mühsam im Gleichgewicht hielt. Das Netz verhakte sich an einem der Flansche, im selben Moment kippte das Faß um und rollte zur Seite. Arkadi gelang es, sich am Netz in die Höhe zu hangeln, von nebenan hörte er im anschwellenden Prasseln des Feuers, wie Flaschen zerbarsten. Er stieß die Luke auf. Rauchschwaden ballten sich unter der Öffnung zusammen, schienen ihn zurückdrängen zu wollen, aber da war er auch schon draußen und rollte über die Erdwälle durchs nebelnasse Gras dem Meer entgegen.
     
    Die ersten Vorläufer des Eisgürtels waren ein paar geborstene Eisschollen, die glatt und weiß wie Marmor auf dem dunklen Wasser schwammen, und während die Polar Star und ihre Gefolgschaft von vier Fangbooten, nur begleitet vom Nordwind, rasch und zügig vorwärts kam, machte sich an Bord das beklemmende Gefühl breit, nun völlig isoliert zu sein. Unter Deck konnte man immer wieder ein bisher nicht dagewesenes, fremdartiges Geräusch vernehmen: Eis, das knirschend an der Wasserlinie scheuerte. An Deck lehnte sich die Mannschaft zurück und musterte prüfend die Ausrüstung, die sich über Brücke und Ladegeschirr spannte: langsam rotierende Elektronik, ineinandergreifende Ringe, sternförmige Antennen, Peitschen- und Hochantennen, Radar, VHF, ein Kurzwellensender, Peilfunk und Satelliten-Navigation. Das Bedürfnis, mit der, wenn auch noch so fernen Wirklichkeit Kontakt zu halten, wurde immer dringlicher, als die zunächst vereinzelten Eisschollen sich allmählich zu einem Irrgarten aus glattem, kreisförmigem Treibeis verdichteten. Immer enger schlossen die Trawler hinter der Polar Star auf, allen voran die Eagle, die für die warmen Gewässer im Golf von Mexiko gebaut war, nicht aber fürs Beringmeer.
    Gegen Abend hatte der Wind aufgefrischt, schien rascher und leichter über das Eis hinwegzufegen als zuvor über das Wasser, und er hatte einen leichten Nieselregen mitgebracht, der augenblicklich auf der Windschutzscheibe der Brücke gefror. Die ganze Nacht hindurch spritzte die Mannschaft der Polar Star die Decks mit heißem Wasser aus den Boilern ab, damit sich kein Eis auf ihnen festsetzen konnte. Die Trawler, denen das entstabilisierende Gewicht des Eises noch mehr Probleme aufgab, machten es ebenso, und so pflügten sie hintereinander als dampfende Parade durch die Dunkelheit.
    Die Alaska Miss, deren Schrauben sich beim Zusammenstoß mit einem schwimmenden Eisfeld verbogen hatten, kehrte in der Morgendämmerung um. Die anderen blieben, denn riesige Fischschwärme versprachen reichen Fang. Als es hell wurde, stellten die Kapitäne fest, daß die Eisschollen sich zu einer kompakten Decke zusammengefügt hatten. Vor ihnen dehnte sich ein ebenmäßiger weißer Panzer unter dem blauen Himmelsbogen. Im Kielwasser der Polar Star glänzte eine Fahrrinne kohlschwarzen Wassers, in das die Trawler, die untereinander je eine Meile Abstand hielten, ihre Netze tauchten. Aus irgendeinem Anlaß sammelte sich Grundfisch, vor allem Seezungen, mit Vorliebe dicht unter der Eisdecke und ballte sich dort buchstäblich in Schichten übereinander zusammen. Dreißig, vierzig Tonnen schwer kamen die Netze aus dem Wasser, und im Nu waren Fisch, Maschenwerk und Häckselhaar mit funkelnden Eiskristallen überzogen, so daß es aussah, als fischten die Trawler Edelsteine aus dem Meer. Und in gewissem Sinne stimmte das sogar. Die Amerikaner wurden reich, und die Russen verdoppelten ihr Tagessoll.
    Trotzdem wehte die Flagge der Polar Star auf halbmast. Die gesamte Quote dieser Reise war dem Andenken Fedor Wolowois gewidmet worden. Beileidstelegramme an die Familie des Toten wurden versandt; umgekehrt empfing die Polar Star tröstenden Zuspruch vom Flottenkommando in Wladiwostok und von der Firmenverwaltung in Seattle. Die Parteizelle hatte Slawa Bukowski das Amt des Politoffiziers übertragen, und er hatte sich seufzend gefügt. Wolowoi würde die Heimreise im Proviantraum Nr. 2 verbringen, luftdicht verpackt in einem Plastiksack gleich neben dem von Sina Patiaschwili, deren Leiche man ebenfalls hierher überführt hatte, denn im Laderaum wurde jetzt jeder Zentimeter Raum gebraucht. An Bord munkelte man, der Erste Maat sei nicht einfach nur verkohlt, nein, seine Kehle … In seiner Eigenschaft als Gewerkschaftsvertreter, zu dessen Aufgaben es auch gehörte, Totenscheine auszustellen, trat Slawa solchen und ähnlichen Gerüchten energisch entgegen, aber angesichts seiner zahlreichen neuen Pflichten

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