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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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und an anderen geht wieder überhaupt nichts. Einige Mannschaftsmitglieder rufen schon mal bis nach Moskau durch, nach Hause; das geht über eine Radio-Telefon-Verbindung. Das Flottenkommando duldet es, weil das die Moral hebt.«
    »Können andere Schiffe diese Gespräche abhören?«
    »Wenn sie zufällig den richtigen Kanal erwischen, dann kriegen sie mit, was am anderen Ende gesprochen wird, aber nicht das, was wir hier auf dem Schiff sagen.«
    »Sehr schön. Mach mir eine Verbindung mit dem Präsidium der Miliz in Odessa.«
    »Kein Problem.« Nikolai brannte darauf, ihm einen Gefallen zu tun. »Natürlich müssen alle Anrufe zuerst vom Kapitän genehmigt werden.«
    »Dieser nicht. Den wirst du nicht mal protokollieren. Laß uns die Situation rasch noch einmal rekapitulieren«, sagte Arkadi, weil er merkte, daß der Funker zu den jungen Leuten gehörte, die besonders sorgfältig instruiert werden mußten. »Als Marineoffizier kannst du schon allein dafür, daß du Sina Patiaschwili in die geheime Funkstation auf der Polar Star geführt hast, des Verrats angeklagt werden. Da du darüber hinaus bereits vorher ein Verhältnis mit diesem Mädchen unterhalten hast, stellt sich ferner die Frage, ob ihr nicht zusammen ein Komplott ausgebrütet und womöglich gemeinsam Landesverrat geplant habt. Aber selbst wenn du tatsächlich nur ganz harmlos versucht haben solltest, die Genossin zu verführen, dann kann man dich immer noch wegen Diskriminierung der sowjetischen Frauenschaft belangen. Hinzu kommt das Versäumnis, illegalen Waffenbesitz anzuzeigen, ferner Diebstahl von Staatseigentum - die Bänder - und Verbreitung antisowjetischer Propaganda - die westliche Musik. Deine Karriere als Marineoffizier wäre in jedem Fall zu Ende.«
    Während Arkadi ihm die Rechnung aufmachte, sah Nikolai aus wie einer, der einen Fisch auf einen Bissen schluckt. »Das haben wir gleich, Genosse Renko. Das heißt, ein, zwei Stunden kann es schon dauern, aber ich mache Ihnen die Verbindung.«
    »Ach, übrigens, wo du doch so ein Musikliebhaber bist: Wo warst du eigentlich während des Festes?«
    »Ich konnte nicht teilnehmen, weil … meine anderen Pflichten.« Er senkte den Blick, ein Hinweis auf die geheime Nachrichtenstation unter Deck, die Arkadi bisher noch nicht gefunden hatte. »Es ist komisch, daß Sie von Musik sprechen. Ich meine, die Bänder, die Sina in ihrer Wohnung in Wladiwostok hatte? Ein paar waren Rock-Aufnahmen, aber die meisten waren Magnatisdat. Sie wissen schon, Räuberballaden.«
    »>Die Kehle schlitzt mir auf, die Hände hackt mir ab, aber meiner Gitarre Saiten, die laßt heil.<«
    »Genau! Sie haben sie also doch gekannt.«
    »Nein, aber jetzt kenne ich sie.«
    Als er hinausging, mußte Arkadi sich eingestehen, daß er Nikolai härter angefaßt hatte, als nötig gewesen wäre. Die sarkastische Bemerkung über sein Alter - das war Nikolais Fehler gewesen. Arkadi merkte, wie er sich unbewußt mit der Hand übers Gesicht fuhr. Sah er alt aus? Er fühlte sich jedenfalls nicht so.
    Unter Guris Koje lag ein neuer Nylonsack, vollgestopft mit Plastikbeute: Sony-Walkmen, Swatch-Uhren, Aiwa-Lautsprecher, Water-Pik-Mundduschen, ein Mickey-Mouse-Telefon und außerdem noch stangenweise Marlboro. An der Schranktür klebten Schnappschüsse von Obidin, der mit sauber gestriegeltem Bart vor der Holzkirche von Unalaska posierte, so bescheiden, als säße er neben seinem Schöpfer auf einer Wolke. Drinnen im Schrank mischten sich die Ausdünstungen der Gläser voll selbstgebranntem Fusel mit dem Duft frischer wie eingemachter Früchte aus dem Laden in Dutch Harbor. Wer immer hineinlangte und nach seiner Jacke griff, dem schlug das süßliche Aroma von Pfirsichen, Kirschen und Mandarinen entgegen. Doch der eigentliche Botanikerwinkel der Kabine war allerdings Koljas Bord mit den Pflanzen, die er auf der Insel gesammelt und in seine Papptöpfe gepflanzt hatte. Da standen unter anderem ein Miniaturstrauch mit winzigen purpurfarbenen Beeren, die sichelförmigen, papierdünnen Blätter einer Zwergiris und ein verwaister Stengel, dem nur noch eine einzige feuerrote Blüte geblieben war. Auf einer angefeuchteten Seite der Prawda prangte ein üppig mit gefiedertem Moos überwucherter Lavastein.
    Kolja machte den Führer für Natascha; im milchigen Licht des mit Rauhreif überzogenen Bullauges glich seine Ecke der Kabine einem veritablen Gewächshaus. Zum erstenmal gelang es ihm, Natascha zu beeindrucken. »Jede Expeditionsgruppe ist so

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