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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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verfahren«, erklärte er. »Cook und Darwin füllten die engen Laderäume ihrer Segler mit botanischen Proben, stopften den Kettenkasten mit Pflanzenknollen voll und stapelten Brotfruchtbäume an Deck. Sie müssen nämlich wissen, Natascha: Leben gibt es überall. Nehmen Sie nur die Eisdecke, von der wir jetzt eingeschlossen sind. Unter der wachsen Massen von Algen. Und von denen wiederum nähren sich jene winzigen Lebewesen, die ihrerseits die Fische anlocken. Und natürlich folgen den Fischen größere Räuber: Robben, Wale, Eisbären. Sie sehen also, es wimmelt geradezu von Leben im scheinbar toten Eis.«
    Arkadi war in Gedanken mit einer ganz anderen Art von Botanik beschäftigt. Er saß über den schmalen Tisch gebeugt, rauchte eine von Guris Zigaretten und dachte an wilden Hanf, an Tausende von Hektar üppigen, wilden mandschurischen Hanfs, schwer von rauschgifthaltigen Pollen, Blüten und Blattwerk. Wie bare Rubel wuchs und gedieh er überall in den zerklüfteten Bergtälern Asiens. Und jeden Herbst brach das »Grasfieber« aus, wie die Sibirier es nannten: Gleich Parteifreiwilligen - nein, motivierter - pilgerten die Leute dann in hellen Scharen zur Ernte aufs Land hinaus. Oft brauchten sie gar nicht weit zu fahren, denn der Hanf wuchs überall - im Straßengraben, im Kartoffelacker, im Tomatenbeet. Die unter dem Namen Anascha bekannte Ausbeute brachte man, in Säcke verpackt, auf Lastern nach Moskau, wo das Kraut entweder zu Zigaretten gedreht oder in Pfeifen gestopft und geraucht wurde.
    Daneben gab es Plan. Haschisch. Plan kam kiloweise, zu Ziegeln gepreßt, aus Afghanistan oder Pakistan und wurde auf verschiedenen Routen nach Moskau befördert, teils mit Militärlastern auf dem Landweg, teils per Fähre übers Schwarze und Kaspische Meer, dann weiter durch Georgien und schließlich nordwärts der Hauptstadt zu.
    »Eisbären wandern mitunter Hunderte von Kilometer weit aufs Eis hinaus«, sagte Kolja eben zu Natascha. »Niemand weiß, wie sie ihren Weg finden. Sie jagen auf zweierlei Art: Entweder warten sie vor den Löchern, wo die Robben zum Luftholen an die Oberfläche kommen, oder sie schwimmen unter der Eisdecke entlang und halten Ausschau nach dem Schatten einer Robbe über sich.«
    Oder Mohn, dachte Arkadi. Wie viele Kolchosen in Georgien mochten wohl ihr Anbausoll dieser Wunderblume übererfüllen? Wieviel wurde heimlich von der Tenne gefegt, getrocknet, in Ballen verpackt, zu Morphium verarbeitet und dann scheinbar vom Wind nach Moskau geblasen?
    Aus dem Blickwinkel eines Ermittlungsbeamten erschien Moskau wie eine unschuldige Eva, umgeben von gefährlichen Gärten, ständig in Versuchung geführt durch die schmeichlerischen Schlangen Georgien, Afghanistan und Sibirien. Der »Tee«, den Sina durch Nikolai hatte verschicken wollen, war ohne Zweifel eine Rolle Hanf gewesen - Anascha. Sie hatte ihre Meinung geändert, vermutlich, weil die Lieferung zu klein und nicht das Risiko wert war. Trotzdem bewies auch dieser abgebrochene Versuch, daß zumindest einige Mitglieder eines Verteilernetzes hier auf diesem Schiff operierten.
    »Und all diese Blumen haben Sie rund um den Laden in Dutch Harbor gefunden?« fragte Natascha.
    »Nun ja, man muß wissen, wo es sich zu suchen lohnt«, sagte Kolja.
    »Die Saat der Schönheit gedeiht überall.« Natascha trug ihr Haar zurückgekämmt, damit die Kristallohrgehänge, die sie in Dutch Harbor gekauft hatte, besser zur Geltung kamen. »Meinen Sie nicht auch, Arkadi?«
    »Das läßt sich nicht leugnen.«
    »Nun sehen Sie einmal, wie konstruktiv Genosse Mer seine Zeit an Land genutzt hat. Nicht so wie gewisse Leute, die sich erst abscheulich betrinken und dann ins Wasser fallen.«
    »Ja, ja. Kolja, ich verneige mich vor deinem wissenschaftlichen Eifer.« Arkadi bemerkte, daß der Ringhefter seines Kabinenkameraden mit dem grauen Einband aus Krokodillederimitation einer von denen war, die im Schiffsladen verkauft wurden. Genauso einen hatte auch Sina gehabt. »Darf ich mal sehen?« Er blätterte flüchtig ein paar Einträge durch. Auf jeder Seite hatte Kolja eine seiner Pflanzen sowohl mit russischem wie mit lateinischem Namen katalogisiert und außerdem Fundort und -zeit vermerkt.
    »Bei Ihrem Sturz ins Wasser, waren Sie da allein?« fragte Natascha.
    »Dadurch war es nicht ganz so peinlich.«
    »Susan war also nicht bei Ihnen?« forschte Natascha weiter.
    »Nein, niemand.«
    »Du hättest dich verletzen können.« Kolja war jetzt noch aufgebracht. »Alkohol trinken

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