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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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bekannt gewesen.«
    »Wir waren Kollegen, das ist alles.«
    »Sina war also nur eine einfache Arbeiterin, genau wie Sie?«
    »Nein, ich bin ein vorbildlicher Arbeiter.« Karp warf sich in die Brust und breitete die Arme aus. »Sie haben keine Ahnung vom Arbeiter, Renko, weil Sie nämlich im Herzen keiner sind. Sie halten die Schmutzbrigade für einen üblen Arbeitsplatz?« Um seiner Frage Nachdruck zu verleihen, klopfte er Arkadi mit dem Messer auf die Schulter. »Haben Sie schon mal in ‘nem Schlachthaus gearbeitet?«
    »Ja.«
    »In einer Rentierschlachterei?«
    »Ja.«
    »Wo man mit ‘ner Ölplane auf der Schulter rumläuft und dauernd auf den Gedärmen ausrutscht?«
    »Genau.«
    »Am Aldan?« Der Aldan war ein Ruß im Osten Sibiriens. »Jawohl.«
    Karp zögerte. »Der Genossenschaftsdirektor ist Korjake, heißt Sinaneft und reitet auf einem Pony durch die Gegend?«
    »Nein, Burjate, heißt Korin und fährt einen Moskwitsch mit Kufen an den Vorderrädern.«
    »Na so was! Sie haben also tatsächlich dort gearbeitet.« Karp schien belustigt. »Korin hatte zwei Söhne.«
    »Nein, Töchter.«
    »Aber eine davon war tätowiert. Ist schon komisch, was? All die Jahre in den Lagern, die ganze Zeit in Sibirien habe ich mir gesagt, wenn es auf dieser Welt eine Gerechtigkeit gäbe, dann würden wir uns wiedertreffen, Sie und ich. Und nun stellt sich raus, daß das Schicksal die ganze Zeit über auf meiner Seite war.«
    Über ihnen trug der Kranführer eine dampfende Tasse in seine Kabine. Der Amerikaner namens Bernie ging über Deck nach achtern. Fest in seinen Parka gemummelt, zog er sich am Seil vorwärts wie ein Kleinkind, das noch wackelig auf den Beinen ist. Aus Karps Funkgerät ertönte Thorwalds Stimme mit der Meldung, die Merry Jane nähere sich mit einem Netz. Der Trawlmaster steckte sein Messer ein, und das Arbeitstempo belebte sich schlagartig. Die Schläuche versiegten, Kabelrollen wurden an die Rampe geschleppt.
    »Sie sind nicht dumm, nein, aber Sie denken nie mehr als einen Schritt weit voraus«, sagte Arkadi. »Sie hätten in Sibirien bleiben oder meinetwegen Videokassetten und Jeans schmuggeln sollen - jedenfalls kleine Dinger drehen und sich nicht an was Großes wagen.«
    »Ach ja? Und nun zu Ihnen«, entgegnete Karp grimmig und kratzte Arkadi die Eiskruste von der Jacke. »Sie kommen mir vor wie ein Hund, den man vor die Tür gesetzt hat. Ein Weilchen ernähren Sie sich von wilden Pflanzen im Wald, und schon bilden Sie sich ein, Sie könnten mit den Wölfen mithalten. Aber in Wirklichkeit, tief im Innern, da wollen Sie ganz was anderes, Mann - nämlich einen einzelnen Wolf zur Strecke bringen, damit die Menschen Sie wieder in ihr Haus aufnehmen.« Er beugte sich vor, scheinbar um ein Eiskristall aus Arkadis Haar zu entfernen, und flüsterte ihm zu: »Sie schaffen’s nie bis Wladiwostok!«
     
    Die Mannschaft verwandelte sich in Wintergetier, selbst beim Essen behielt man die schweren, weiten Jacken an. In der Mitte des langen Tisches stand eine Terrine mit Kohlsuppe, die nach alten Socken roch und mit rohem Knoblauch gegessen wurde. Dazu gab es, auf extra Tellern, dunkles Brot und Gulasch. Getrunken wurde Tee, der so stark dampfte, daß sich in der Cafeteria Schwaden bildeten wie in einer Sauna. Israel Israelowitsch glitt neben Arkadi auf die Bank. Wie gewöhnlich hingen dem Fabrikleiter die Fischschuppen so reichlich im Bart, als hätte er sich von der Schmutzbrigade durch wahre Abfallberge in den Speisesaal kämpfen müssen. »Sie können Ihre sozialistischen Pflichten nicht länger ignorieren«, flüsterte er Arkadi zu. »Entweder Sie nehmen unverzüglich wieder Ihren Platz neben Ihren Kollegen in der Fabrik ein, oder ich muß Sie melden.«
    Natascha saß Arkadi gegenüber. Sie hatte die hohe weiße Mütze aufbehalten, die die Frauen in der Schmutzbrigade laut Vorschrift zu tragen hatten, damit Ihnen die Haare nicht in den Fisch fielen.
    »Hören Sie auf Israel Israelowitsch«, beschwor sie Arkadi. »Ich dachte schon, Sie wären krank. Aber dann bin ich in Ihre Kabine gegangen, und Sie waren nicht da.«
    »Olimpiada hat ein Händchen für Kohl.« Arkadi bot Natascha eine Schöpfkelle voll Suppe an, doch sie schüttelte den Kopf. »Wo ist sie übrigens? Olimpiada meine ich. Ich hab sie heute noch gar nicht gesehen.«
    Israelowitsch ließ sich nicht ablenken. »Ich werde Sie dem Kapitän melden müssen, Ihrer Gewerkschaft und natürlich auch der Partei.«
    »Schade, daß Sie mich nicht mehr Wolowoi

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