Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
Vom Netzwerk:
hier nicht einfach unangemeldet reinkommen«, sagte Wainu wieder, doch es klang schon weniger überzeugt. Er lehnte sich gegen ein Regal und zündete sich zur Beruhigung eine Zigarette an. Neben der Kiste mit Sinas Sachen stand ein brandneuer japanischer Kassettenrecorder mit Stereolautsprechern. Arkadi drückte auf die Rücklauftaste, dann auf Start.
    »… Totenkopfflagge, sie flattert im Wind.« Stop. »Tut mir leid«, sagte er.
    Der Sänger war ohnehin nicht mit dem auf Sinas Kassetten identisch.
     
    Oberst Pawlow-Saligins sonore Stimme überwand per Telefonleitung und Ätherwellen die riesige Entfernung zwischen Odessa und der Polar Star. Sein gemächlicher, voller Bariton erinnerte Arkadi daran, daß zwar die Eisdecke auf dem Beringmeer bereits weiter südwärts vorrücken mochte, in Georgien aber noch Trauben gekeltert wurden und die Schwarzmeerfähren die letzten Touristen des Jahres beförderten.
    Der Oberst war hocherfreut, einem Kollegen draußen auf See behilflich sein zu können, auch wenn das bedeutete, daß er sich durch einen Berg langweiliger, alter Akten wühlen mußte. »Patiaschwili? Ja, ich war mit dem Fall befaßt, aber in letzter Zeit haben die hohen Herren sich entsetzlich pedantisch mit dem Gesetz. Rechtsanwälte stecken überall ihre Nase rein, beschuldigen uns der Gewalttätigkeit und fechten ganz hieb- und stichfeste Urteile an. Da haben Sie’s dort draußen auf dem Beringmeer wesentlich besser, glauben Sie mir. Nun, ich werde mir den Fall noch mal ansehen und rufe Sie dann zurück.«
    Arkadi erinnerte sich, daß andere Schiffe, sollten sie gerade zufällig den Kanal der Polar Star eingeschaltet haben, den ankommenden Teil des Gesprächs mithören konnten. Je weniger Anrufe, desto besser, selbst angenommen, er hätte die Chance, auch ein zweites Mal eine Verbindung zu bekommen. Nikolai beobachtete die Skala der SSB-Anlage; die Nadeln pendelten ziellos hin und her. »Das Wetter ist gegen uns«, erklärte er. »Der Empfang wird schlechter.«
    »Ich habe keine Zeit zu verlieren«, sagte Arkadi in den Hörer.
    »Heutzutage drucken sie die Briefe von Verbrechern in der Zeitung ab«, sagte Pawlow-Saligin. »Im Literarischen Anzeiger!«
    »Sie ist tot!« rief Arkadi ungeduldig.
    »Ach so«, sagte der Oberst. »Warten Sie, lassen Sie mich nachdenken.«
    Jedes Wort kam erst mit vier Sekunden Verspätung beim Empfänger an, was die Verständigung natürlich zusätzlich beeinträchtigte. Statt eines Mikrophons hatte das Funkgerät einen Telefonhörer, auf dessen Sprechmuschel eine aufgemalte Margerite für altmodische Verschönerung sorgte. Als Arkadi sie ansah, kam ihm zum Bewußtsein, daß die gesamte moderne Technologie der Polar Star sich unten im Bug bei Hess befand.
    »Das Problem war, wir hatten kein stichhaltiges Beweismaterial gegen sie«, gestand Pawlow-Saligin widerstrebend, »nichts, womit wir hätten vor Gericht gehen können. Wir haben ihre Wohnung durchsucht und sie in Untersuchungshaft genommen, aber wir hatten nicht genügend Beweise für eine Anklage. Doch abgesehen davon waren die Ermittlungen sehr erfolgreich.«
    »Was denn für Ermittlungen?«
    »Das stand sogar in der Prawda«, sagte der Oberst stolz. »Es war eine internationale Operation. Man hatte versucht, fünf Tonnen georgisches Haschisch auf einem sowjetischen Frachter von Odessa nach Montreal zu verschiffen. Hochkarätige Ware, alles in Ziegelform. Das Zeug steckte in Containern mit der Aufschrift >Rohwolle<. Unser Zoll hat das Rauschgift dennoch entdeckt. Normalerweise verhaften wir in so einem Fall die Beteiligten und vernichten die illegale Ladung, aber diesmal entschlossen wir uns, mit den Kanadiern zusammenzuarbeiten und hüben wie drüben Verhaftungen vorzunehmen.«
    »Also ein Joint-venture.«
    »Genau. Die Operation war ein Bombenerfolg. Sie haben bestimmt .«
    »Ja. Und wie war Sina Patiaschwili in den Fall verwickelt?«
    »Der Rädelsführer war ein Freund von ihr. Sie hatte ein halbes Jahr in der Kombüse des Frachters gearbeitet. Tatsächlich war das der einzige Frachter, auf dem sie je wirklich gearbeitet hat. Zeugen haben sie auf dem Dock gesehen, als das Schiff die Ladung an Bord nahm, aber .«
    Die atmosphärische Störung verstärkte sich und drückte die Empfangsanzeige fast bis auf Null.
    ». an den Staatsanwalt. Trotzdem konnten wir sie aus der Stadt ausweisen.«
    »Und die anderen Beteiligten sitzen noch in Straflagern?«
    »Arbeitslager unter strikter Führung, genau. Ich weiß, daß es eine

Weitere Kostenlose Bücher