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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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rappelte sich hoch.
    »Sie sehen ja aus, als hätten Sie Angst, Renko.«
    »Habe ich auch.«
    »Hier.« Karp beugte sich vor, gab Arkadi seine Zigarette und zündete sich eine neue an. Seine Augen blitzten auf, als er die Rampe über ihnen absuchte. »Sie sind allein gekommen?«
    »Ja.«
    »Wir werden das nachprüfen.«
    Arkadi konzentrierte sich auf den Regen und auf ein Licht, das in der Ferne schwankte wie eine Laterne im Wind. Es war die Eagle, die sich schätzungsweise zweihundert Meter hinter dem Fabrikschiff hielt. »Haben Sie nicht die Befürchtung, das Netz könnte das, was Sie eben ins Wasser geworfen haben, wieder rausfischen?«
    »Die Eagle hat kein Netz ausgeworfen, die sind zu sehr damit beschäftigt, das Eis vom Deck zu spritzen. Ganz schön topplastig für so ein leichtes Boot. Woher wußten Sie, daß Sie mich hier finden würden?«
    Arkadi beschloß, seine Begegnung mit Pawel zu verschweigen.
    »Ich wollte nur sehen, wo Sina ins Wasser gegangen ist.«
    »Ach? Und Sie meinen, das war hier?«
    »Sie hat ihre Jacke und den Beutel entweder hier oder auf dem Treppenabsatz deponiert, bevor sie zum Tanzen ging. Wie sah sie eigentlich aus, als Sie sie aus dem Netz schnitten?«
    Karp machte einen tiefen Zug. »Haben Sie schon mal einen Ertrunkenen gesehen?«
    »Ja.«
    »Na, dann wissen Sie ja Bescheid.« Karp wandte sich um und sah zu, wie das Licht der Eagle in einer Regenböe verblaßte. Er wirkte völlig ruhig, als warte er auf einen Freund. »Das Meer ist gefährlich, aber ich sollte Ihnen dankbar sein dafür, daß Sie mich aus Moskau rausgebracht haben. Was hab ich da schon verdient mit all der Zuhälterei und den Erpressungsgeschichten, na, was schätzen Sie? Zwanzig oder dreißig Rubel am Tag? Dabei sind Rubel in der restlichen Welt überhaupt kein Geld.«
    »Sie leben aber in Rußland. Und da verdient ein Fischer einen Haufen Rubel.«
    »Und was kann er sich dafür kaufen? Fleisch ist rationiert, Zucker ist rationiert. Umstrukturierung? Daß ich nicht lache. Der einzige Unterschied besteht darin, daß sie jetzt auch noch den Wodka rationiert haben. Wer ist hier ein Verbrecher? Wer ein Schmuggler? Ehrenwerte Delegationen fliegen nach Washington, und wenn sie zurückkommen, haben sie Kleider, Badeschaum und Kronleuchter im Gepäck. Der Generalsekretär sammelte schnelle Autos, seine Tochter sammelte Diamanten. Und in den einzelnen Republiken ist es genau das gleiche. Ein Parteiführer hat einen Marmorpalast, ein anderer hat Koffer so voller Gold, daß man sie nicht vom Boden hochkriegt. Und ein dritter unterhält eine Lastwagenkolonne, die nichts als Hasch transportiert, und seine Laster werden von der Verkehrspolizei auch noch geschützt. Renko, Sie sind der einzige in diesem Scheißsystem, den ich nicht begreife. Sie führen sich auf wie ein Arzt im Freudenhaus.«
    »Ich bin eben ein Romantiker. Also schön, Sie wollten hoch hinaus. Aber wie sind Sie gerade auf Drogen gekommen?«
    Karps Schultern waren mit gefrorenen Regentropfen bestückt. Ihre Konturen erinnerten Arkadi an den Dunst in einer Nebelkammer, der die feuchte Fährte von Ionen verrät.
    »Es ist die einzige Möglichkeit für einen Arbeiter, ans große Geld zu kommen, vorausgesetzt, er hat die Nerven dazu«, sagte Karp. »Darum ist die Regierung ja auch so gegen Drogen - weil sie die nicht kontrollieren kann. Wodka und Tabak, die kriegen sie in den Griff, aber Drogen nicht. Denken Sie nur an Amerika. Selbst die Schwarzen machen da Geld damit.«
    »Sie glauben also, bei uns in der Sowjetunion wird es eines Tages genauso sein?«
    »Eines Tages? Es ist doch heute schon so! Sie können auf einem Stützpunkt der Roten Armee unter der Hand Munition einkaufen, über die Grenze schaffen und an die Afghanen verscherbeln, die gegen uns kämpfen. Die Duschmani unterhalten Warenhäuser, in denen das Kokain bis unters Dach gestapelt ist. Das Zeug ist mehr wert als pures Gold. Es ist die neue Währung! Darum haben auch alle solche Angst vor den Veteranen, die da unten gekämpft haben - nicht bloß, weil die selber Drogen nehmen, sondern weil sie sich auskennen und wissen, was wirklich läuft.«
    »Aber Sie gehören keinem der großen afghanischen Verteilernetze an«, sagte Arkadi. »Wenn ich richtig liege, dann handeln Sie mit sibirischem Stoff, mit Anascha. Wie ist denn der Wechselkurs bei euren Tauschgeschäften per Schleppnetz?«
    Karps Lächeln blitzte golden in der Dunkelheit. »Ein, zwei Kiloblöcke von unserem Stoff gegen einen Löffel voll von

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