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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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ihrem. Scheint vielleicht auf den ersten Blick unfair, aber wissen Sie auch, was ein Gramm Kokain bei den Ölbohrtrupps in Sibirien einbringt? Fünfhundert Rubel! Alle Achtung, daß Sie den Dreh mit dem Netz allein rausgekriegt haben.«
    »Was ich nicht verstehe ist, wie ihr es geschafft habt, das Anascha an den Kontrollen vorbei auf die Polar Star zu schmuggeln.«
    Die Stimme des Trawlmasters hörte sich geschmeichelt an, wurde zutraulich, ja fast schien er es zu bedauern, daß sie sich nicht zusammenhocken und miteinander anstoßen konnten. Doch gleichzeitig war Arkadi klar, daß Karp eine Rolle spielte und es genoß, so unbestritten Herr der Situation zu sein.
    »Das wird Ihnen gefallen«, sagte Karp. »Überlegen Sie mal, was kann ein Trawlmaster an Material anfordern? Netzwerk, Nadeln, Ankerschäkel, Taue. Die Werften drehen einem ihr schlechtestes Zeug an, darauf können Sie wetten. Na, und aus was sind die billigsten Taue gemacht?«
    »Hanf!« Mandschurischer Hanf wurde ganz legal für die Herstellung von Seilen und Verpackungsschnüren angebaut; Anascha war lediglich die rauschgifthaltige, befruchtete Variante vom selben Strauch. »Sie haben das Zeug also in die Taue gepackt, Hanf in Hanf versteckt.« Arkadi konnte seine Bewunderung nicht verhehlen.
    »Und zum guten Schluß tauschen wir Hasch gegen reines Gold. Zwei Kilo von dem Stoff bringen uns eine Million Rubel ein.«
    »Aber nun werden Sie sich noch mal für sechs Monate verpflichten müssen, um eine zweite Ladung rüberzuschmuggeln.«
    »Sicher, das hier war ein Rückschlag.« Karp blickte gedankenvoll auf die Rampe hinunter. »Kein so schlimmer wie der, der Sie erwartet, aber immerhin ein Rückschlag. Sie behaupten, Sie wären bei Nacht und Regen hier herausgekommen, bloß weil Sie sehen wollten, wo Sina ins Wasser gegangen ist. Das glaube ich Ihnen nicht, Renko.«
    »Glauben Sie an Träume?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht.«
    »Wissen Sie, warum ich diesen Mistkerl in Moskau umgebracht habe?« fragte Karp unvermittelt.
    »Den, der mit der Prostituierten im Eisenbahndepot war?«
    »Wegen dem Sie mich geschnappt haben, genau.«
    »Demnach war es also kein Unfall? Sie wollten ihn umbringen?«
    »Das ist lange vorbei, fünfzehn Jahre. Noch mal können Sie mir damit nicht mehr kommen.«
    »Nun, und warum haben Sie ihn getötet?«
    »Wissen Sie, wer die Hure war? Meine Mutter.«
    »Davon hat sie nichts gesagt. Außerdem hatte sie einen anderen Namen.«
    »Schon, aber der Saukerl, der hat’s gewußt. Und er hat damit gedroht, es überall rumzuerzählen. Sie sehen also, ich hab nicht wegen nichts und wieder nichts durchgedreht.«
    »Sie hätten Ihre Beweggründe vor Gericht nennen sollen.«
    »Dann wäre ihre Strafe nur noch härter ausgefallen.«
    Arkadi erinnerte sich dunkel an eine grell geschminkte Frau mit zinnoberrot gefärbtem Haar. Zu der Zeit gab es offiziell keine Prostitution in Rußland, und so hatte man sie wegen Komplizenschaft bei einem Raubüberfall verurteilt.
    »Was ist aus ihr geworden?«
    »Sie ist in einem Straflager umgekommen. Hat wattierte Jakken für Sibirien genäht. Wer weiß, vielleicht haben Sie oder ich mal eine getragen, die sie gemacht hat. Wie überall mußten sie ein Plansoll erfüllen, und wie überall war es fast unerreichbar hoch. Aber sie hat ein glückliches Ende gefunden. In dem Lager waren eine Menge Frauen mit Babys, sogar einen Kindergarten hatten sie, separat, mit Stacheldraht eingezäunt, und dort durfte sie putzen. Sie schrieb mir, daß er ihr guttat, der Umgang mit den Kindern. Allerdings ist sie an Lungenentzündung gestorben, und die hat sie sich wahrscheinlich von so einem rotznäsigen Bankert geholt. Ist schon komisch, nicht, woran man alles sterben kann.«
    Er schüttelte ein Messer aus seinem Ärmel.
    Arkadi hörte Schritte über sich und blickte hoch. Im schwachen Lichtschimmer, der vom Trawldeck herunterdrang, konnte er eine Gestalt mit einem Südwester auf dem Kopf ausmachen, die die Rampe hinunterstieg und sich dabei an der Leine festhielt, die zu Karp führte.
    »Das ist Pawel«, sagte Karp. »Er hat sich mächtig Zeit gelassen. Also sind Sie tatsächlich allein gekommen.«
    Arkadi versuchte, sich Hand über Hand am Seil emporzuhangeln, doch Karp war schneller. Er hatte zwar eine Rettungsleine um die Taille geknotet, schien sie jedoch nicht zu brauchen, katzengleich sprang er die vereiste Schräge hinauf.
    Die Gestalt oben auf dem Trawldeck hielt inne. Arkadi hätte einen weiten Bogen schlagen müssen,

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