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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star
Autoren: Martin Cruz Smith
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sah ihn bloß an Weihnachten und für eine kurze Woche im Sommer. Aber als ich die Prüfungen hinter mir hatte, eröffnete er mir, er habe sich selbständig gemacht. Er lasse sich nun nicht mehr von der Regierung schikanieren, sagte er.
    Er hatte eine kleine Gesellschaft auf Rhodos, die darauf spezialisiert war, Embargos auszutricksen. Wir etikettierten einfach alles um: Konserven aus Südafrika, Orangen aus Israel, taiwanesische Software. Unsere Stammkunden kamen aus Angola, Kuba, der UdSSR. George pflegte zu sagen, die Kommunisten würden einem trauen, solange man Profit mache, und noch mehr, wenn sie Schmiergelder bekämen.
    Es war einleuchtend. Er brauchte keine Direktiven mehr zu befolgen. Kein Aufsichtsgremium mehr und kein Papierkram, bloß alle vierzehn Tage ein Essen mit jemandem von Langley in Genf. George mußte sowieso hin und wieder dort zur Bank, also war dieses Arrangement ganz praktisch.
    George ist ein kluger Kopf. Er hat als erster erkannt, welche Möglichkeiten sich den Sowjets durch die Schleppnetzfischerei hier oben bieten; er war nämlich von Anfang an sicher, daß ihr das gleiche macht wie er. Also schloß er binnen einer Woche die Firma und ging nach Seattle. Die Auswahl an Schiffen war reichlich. Ich glaube, er hat absichtlich ein schlechtes genommen, um kein zu großes Aufsehen zu erregen. Ganz bestimmt hätte er eine bessere Mannschaft kriegen können.
    Ich kenne George jetzt seit vier Jahren, und seit dreien arbeite ich für ihn. Ein Jahr war ich in Deutschland, ein Jahr habe ich auf Rhodos gearbeitet, und ein Jahr bin ich auf russischen Schiffen gefahren. In der ganzen Zeit sind er und ich bloß sechs Monate zusammengewesen. In den letzten zehn Monaten hatten wir nur zwei Tage für uns. Solch langen Trennungsphasen hält auch die größte Liebe nicht stand. Und so habe ich denn angefangen, auf jemanden wie dich zu warten. Ist das ehrlich genug?«
    Waren Schiffe wie Frauen oder umgekehrt? Eine nächtliche Zuflucht, an die man sich im Traum klammerte?
    Draußen auf dem Gang hörte Arkadi amerikanische Stimmen. Müde vom Tanzen und weil es so spät war, wankten die Männer in ihre Quartiere. Er hatte keine Uhr.
    Sacht strich er ihr mit der Hand über Stirn, Nase und Kinn, zeichnete ihr Profil nach. Anfangs war ihr Gesicht ihm spitz und dreieckig erschienen, aber nun fand er, es sei genau der richtige Rahmen für diesen lebhaften Mund und die weit auseinanderstehenden Augen, ja das einzig mögliche Gesicht für solch eine kindliche Frisur. Als seine Finger über ihren Leib wanderten, drehte sie sich ihm zu, eine warme, heimelige Barke mit goldenem Segel.
     
    »Auf den Bändern, die ich gefunden habe, erwähnt Sina irgendwas im Wasser, das ihr aufgefallen ist«, sagte Arkadi.
    »Sie sprach auch von einem Marineoffizier, dem sie an Bord begegnet sei, dem Funker.« Susans Kopf ruhte auf Arkadis Brust. Sie teilten sich eine von ihren Zigaretten, eine Winston.
    »Du hast sie also für einen Spitzel gehalten?«
    »Zu Anfang ja. Schließlich hat sie Wolowoi gesteckt, daß sie und Lantz zusammen Grass geraucht haben. Das reichte, um ihn bei der Stange zu halten.«
    »Mit solchen Informationen hat sie sich ihre Bewegungsfreiheit hier auf dem Schiff erkauft«, sagte Arkadi. Er gab ihr die Zigarette und legte seine Hand in ihre Halsgrube.
    »Sina war zu ungestüm für einen Spitzel. Sie war sehr gescheit«, setzte Susan hinzu. »Die Männer haben das nie begriffen.«
    »Du meinst, sie hätte sie manipuliert?«
    »Wolowoi, Martschuk, Slawa. Ich weiß nicht, wen sonst noch alles. Vielleicht jeden außer dir.«
    »Hat sie mit dir über Wladiwostok gesprochen? Über ihr Leben dort?«
    »Sie hat mir nur erzählt, daß sie als Kellnerin gearbeitet hat und alle Hände voll zu tun hatte, um sich die Matrosen vom Leib zu halten.«
    »Warum ist sie dann auf die Polar Star gekommen?« fragte Arkadi. »Sie mußte doch wissen, daß sie es hier nur noch schlimmer treffen würde.«
    »Darüber habe ich mich auch gewundert. Aber das war ihr Geheimnis.«
    »Hat sie dir von einem Mann in Wladiwostok erzählt? Ich meine, war da jemand, der ihr wirklich was bedeutete?«
    »Sie hat nur Martschuk und den Funker erwähnt.«
    »Waffen?«
    »Nein.«
    »Rauschgift?«
    »Nein.«
    »Was glaubst denn du, auf was Sina aus war, wenn sie immer wieder zu dir an die Heckreling kam?«
    Susan lachte. »Die Frage geht dir wohl nicht aus dem Kopf, was?«
    »Nein.« Er spürte, wie der Puls an ihrem Hals wieder rascher zu klopfen begann.
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