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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Flöhe.«
    »Den Tag nach dem Fest«, forschte Arkadi weiter, »da ist sie nicht zur Arbeit gekommen. Haben Sie jemanden nach ihr geschickt?«
    »Ich brauche jede Kraft in meiner Küche. Wo kämen wir denn hin, wenn ich all meine Mädchen auf dem Schiff herumflanieren ließe? Auf meine Küche ist Verlaß, da läuft alles pünktlich und nach Plan. Und was die arme Sina angeht, ich dachte, das Kind ist krank oder noch erschöpft vom Abend zuvor. Frauen reagieren da anders, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Apropos Männer .« Weiter kam Arkadi nicht. »Sina hat da nie den Überblick verloren.«
    »Und wen vor allem hatte sie im Blick?«
    Olimpiada wurde rot und kicherte hinter vorgehaltener Hand.
    »Das sage ich besser nicht, Sie würden es respektlos finden.«
    »Bitte«, drängte Arkadi.
    »Ich wiederhole nur, was sie gesagt hat.«
    »Bitte.«
    »Sie hat gesagt, sie würde ihre Beziehung zu Männern im Sinne des Parteikongresses demokratisieren. Sie nannte das >Umstrukturierung der Männergesellschaft<.«
    »Und es gab nicht einen oder zwei, mit denen sie besonders?«
    »Auf der Polar Star?«
    » Wo denn sonst?«
    »Ich weiß nicht.« Olimpiada war plötzlich zugeknöpft.
    Slawa sagte: »Sie haben uns sehr geholfen, Genossin Bowina.«
    Die Chefköchin watschelte zurück auf ihren Platz in der Gruppe. Das Mädchen auf dem Bildschirm streckte die Arme aus und begann sie kreisen zu lassen; sie wirkte so leicht, als könnte sie fliegen. Die Macht des Fernsehens hatte diese junge Tänzerin überall in der Sowjetunion zum neuen Frauenideal werden lassen, eine strahlende, springlebendige Ikone. Elegante Lettinnen, Asiatinnen in Filzzelten und Siedlerfrauen auf den Jungferninseln - sie alle sahen dieses Programm und ahmten getreulich jede der Bewegungen des Mädchens nach. Dank des Videorecorders konnten auch die Damen auf der Polar Star dabeisein, obgleich Arkadi sich beim Anblick ihrer breiten Rücken und der ausgestreckten drallen Arme weniger an Vögel als an ein startendes Bombergeschwader erinnert fühlte.
    Der Videorecorder war ein Panasonic, ein Beutestück vom letzten Landgang in Dutch Harbor. In Wladiwostok blühten die Schwarzmarktgeschäfte mit japanischen Videorecordern. Nicht, daß sowjetische Fabrikate, allen voran die Geräte von Woronesch, nichts getaugt hätten - für sowjetische Videobänder genügten sie vollauf -, das Dumme war nur, daß sich mit den sowjetischen Apparaten keine Fernsehsendungen aufzeichnen ließen. Und genau wie in der Sowjetunion Eisenbahnschienen in weiterem Abstand verlegt wurden als im Ausland, um eine Invasion per Zug zu verhindern, so liefen sowjetische Videorecorder mit größeren Bändern, um dem Zustrom ausländischer Pornographie vorzubeugen.
    »Weiber!« Slawa war empört. »Wie kann man nur ein so wichtiges Thema wie Umstrukturierung auf eine so banale Ebene herabziehen. Und im übrigen bin ich es leid, daß Sie hier die Fragen stellen und dauernd abschweifen. Ich habe meine eigenen Vorstellungen, und ich bin nicht auf Ihre Hilfe angewiesen.«
    Olimpiada blickte über die Schulter zurück und sah, wie Slawa wütend aus der Cafeteria stürmte. Natascha wandte ihren dunklen Blick vom Fernseher und heftete ihn auf Arkadi.
    Als Junge hatte Arkadi eine Armee kleiner Bleisoldaten besessen, die säbelschwingenden Kavalleristen des heldenhaften General Davidow, die Artillerie des listigen General Kutusow und die finsteren Grenadiere aus Napoleons Grande Armee, alle miteinander verwahrt in einer Schachtel unter seinem Bett, wo sie jedesmal heillos durcheinanderpurzelten, wenn er die Schachtel hervorzog, um mit den Figuren zu spielen, und sie dann wieder an ihren Platz zurückschob. Wie echte Kriegsversehrte verloren diese Spielzeugsoldaten mit der Zeit ihre ursprünglichen Uniformen, und auch von den Gesichtern blätterte die Farbe ab, Arkadi strich sie zwar immer wieder frisch an, doch tat er das von Mal zu Mal weniger sorgfältig.
    Skiba und Slesko sahen aus wie ein Paar dieser Grenadiere gegen Ende ihrer Laufbahn; grimmig, mit rosig und grau gesprenkeltem Kinn, Goldfüllungen in den Zähnen, beide einander zum Verwechseln ähnlich, außer daß Skiba schwarze und Slesko graue Haare hatte. Sie waren mittschiffs an Deck, genau dort, wo sie auch während des Festes Dienst getan hatten. Es war ihre Aufgabe gewesen, den Transportkäfig zu beobachten, der die amerikanischen Fischer von ihren Booten herüberbrachte und wieder zurück.
    »Die Merry Jane hatte also an der Eagle

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