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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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ist eigentlich genau passiert? Ist sie verschwunden?«
    »Nein, sie ist zurückgekommen.«
    Ridley gefiel die Antwort; offenbar war dieser Arkadi endlich einmal jemand, mit dem sich zu reden lohnte. »Zurückgekommen? Von wo?«
    »Wenn ich es richtig verstanden habe«, Morgan versuchte, das Gespräch in die gewohnten Bahnen zurückzulenken, »wurde ihr Leichnam von unserem Netz aufgefischt, und als es auf der Polar Star geöffnet wurde, hat man sie gefunden.«
    »Lieber Gott«, rief Ridley, »das muß ja schaurig gewesen sein. Ist sie über Bord gefallen?«
    »Ja«, sagte Slawa.
    Coletti zeigte auf Arkadi. »Ich will’s von dem da hören.«
    »Das läßt sich jetzt noch nicht mit Bestimmtheit sagen«, antwortete Arkadi.
    Coletti explodierte. »Schluß jetzt mit dem Scheiß! Wir wissen nicht, was mit Sina passiert ist. Ob sie ‘ne Schwalbe gemacht hat oder was. Wir waren jedenfalls runter vom dem Scheißkahn, bevor es passiert ist.«
    »Coletti!« Morgan trat vor ihn hin. »Eines Tages werde ich deinen Kopf knacken wie eine Nuß, nur um zu sehen, wie klein dein Hirn wirklich ist.«
    Ridley legte Coletti beruhigend die Hand auf den Arm. »Aber, aber, wir sind doch alle Freunde. Nur keine Aufregung! Nehmt euch ein Beispiel an Arkadi. Der sieht sich das alles ganz ruhig an.«
    »Natürlich.« Morgan nickte, dann sagte er zu Arkadi: »Entschuldigen Sie. Was auch immer Sina zugestoßen ist, es war eine Tragödie. Und wir hoffen alle, daß unser Joint-venture dadurch keinen Schaden nimmt. Daran liegt uns allen nämlich wirklich sehr viel.«
    »Wir würden ganz schön beschissen dastehen, ohne diesen Job«, sagte Ridley. »Außerdem schließen wir gern neue Freundschaften. Und uns gefällt es, wenn Slawa uns was auf dem Saxophon vorspielt oder uns die Perestroika erklärt und wie man in der Sowjetunion von der Spitze bis zur Basis in neuen Kategorien denkt.«
    »In neuen Kategorien denken« war ein Schlagwort der neuen Männer im Kreml. Als ob man ein Sowjethirn umpolen könnte wie einen Stromkreislauf, dachte Arkadi.
    »Denken Sie auch in neuen Kategorien?« Ridley sah Arkadi herausfordernd an.
    »Ich versuche es.«
    »Ein Mann Ihres Ranges muß sehen, daß er Schritt hält«, sagte Ridley.
    Slawa brummte: »Er arbeitet in der Fabrik.«
    »Nein«, widersprach Coletti so bestimmt, als verfüge er über besondere Informationen. »Ich war mal Polizist, und ich kann riechen, wer ein Polyp ist. Der da ist einer.«
     
    Der Förderkorb hievte sie am Rumpf der Polar Star empor wie an einem undurchdringlichen Vorhang aus eiterndem Stahl.
    Slawa schäumte vor Wut. »Wir haben uns lächerlich gemacht. Das ist eine rein russische Angelegenheit, die haben nichts damit zu tun.«
    »Sieht ganz so aus«, bestätigte Arkadi.
    »Warum sind Sie dann so aufgeräumt?«
    »Oh, ich denke bloß an all die Fische, die mir heute erspart geblieben sind.«
    »Ist das alles?«
    Arkadi sah durch die Gitterstäbe des Käfigs zur Eagle hinunter.
    »Hat einen ziemlich flachen Rumpf. Damit kommen sie nicht durchs Eis.«
    »Was verstehen Sie schon von Trawlern?« herrschte Slawa ihn an.
    Arkadi dachte an den Trawler, auf dem er vor Sachalin gefahren war. Es war ein kleiner Treibtrawler gewesen, den die Russen den Japanern während des Krieges abgejagt hatten, nichts weiter als ein poröser Holzrumpf, der einen altgedienten Dieselmotor umschloß. Wo immer Farbe abblätterte, waren gespenstisch anmutende japanische Zeichnungen zum Vorschein gekommen. Es war nicht schwer, einen Platz auf einem Schiff zu bekommen, das jeden Tag sinken konnte, besonders wenn der Kapitän ein nur unmenschlich zu nennendes Soll zu erfüllen hatte: Es galt, das Schiff so lange mit Lachs vollzustopfen, bis Wasser eindrang. Als der Neue mußte Arkadi sich ins Trossenloch zwängen, wenn das Netz eingeholt wurde. In geduckter Haltung drehte er sich so lange um die eigene Achse, bis das mit abgewetzten Metallstiften bestückte Kabeltau aufgerollt war. Dann konnte er nur noch auf allen vieren rutschen, wie eine Ratte in einem Sarg; kaum fertig, mußte er auch schon wieder hinaus und helfen, das Netz auszuschütteln. Am zweiten Tag waren seine Hände wie taub gewesen, doch mit der Zeit, und nachdem er den Dreh raus hatte, waren seine Schultern wieder zu dem geworden, was sie während seiner Zeit beim Militär einmal gewesen waren.
    Die Lektion, die er auf diesem verrotteten kleinen Kahn gelernt hatte, war die, daß Fischer imstande sein mußten, über eine lange Zeitspanne auf engstem

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