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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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ja.«
    »Sie ist eine Schönheit. Du weißt doch, wie wenn ein Schiff vorbeifährt, das Kielwasser von der Biolumineszenz leuchtet? Mitunter, wenn ich sie irgendwo knapp verpaßt habe, wenn sie gerade weg ist, dann sehe ich noch dieses Leuchten.«
    »Biolumineszenz? Vielleicht könntest du’s abfüllen und flaschenweise verkaufen.«
    »Weißt du«, sagte Guri, »du hast so was verdammt Nüchternes, Herbes; macht mir direkt Sorgen. Als rauskam, daß du ein Inspektor warst, da hab ich dich mit ganz neuen Augen gesehen. So als wäre da noch ein anderer in dir drin. Sieh mal, ich will doch nichts weiter als Geld verdienen. Die Sowjetunion steht kurz davor, aus dem neunzehnten Jahrhundert aufzutauchen, und wenn’s soweit ist, dann wird …« Er merkte, daß er in seinem Redestrom schon ein Kondom durch die Luft schwenkte, und legte es seufzend beiseite. »Also dann wird alles anders werden. Du hast mir so geholfen mit diesen Büchern. Wenn wir die mit dem inspirierenden Vokabular der Partei kombinieren könnten .«
    Unwillkürlich mußte Arkadi an die Phrasen denken, die Guri wahrscheinlich im Sinn hatte. Die Partei hatte sie losgelassen wie einen Steinregen, der einem immer höher reichte - bis zu den Knöcheln, bis an die Knie. »Du meinst so was wie Arbeiterklasse, Vorhut der Umstrukturierung, Erweiterung und gleichzeitige Festigung des ideologischen und moralischen Sieges?«
    »Genau. Aber nicht so, wie du das sagst. Ich glaube an die Umstrukturierung.« Guri merkte, daß er schon wieder ein Kondom herumschwenkte. »Wie dem auch sei, meinst du denn nicht auch, daß wir Stagnation und Korruption hinter uns lassen sollten?« Er sah, wie Arkadis Blick die Wanne streifte. »Also das da würde ich nicht als Korruption bezeichnen - jedenfalls nicht im eigentlichen Sinne. Breschnews Tochter hat Diamanten geschmuggelt. Orgien veranstaltet, mit einem Zigeuner geschlafen. Das ist Korruption.«
    »Sina hatte also keinen festen Freund?«
    »Du hörst dich allmählich wirklich an wie ein Chefinspektor, das ist ja direkt unheimlich.« Guri testete ein weiteres Kondom.
    »Ich hab dir doch gesagt, sie war sehr demokratisch gesinnt. Sie war anders als andere Frauen. Ich will dir mal einen Rat geben. Finde heraus, was die hören wollen, und dann erzählst du ihnen genau das. Wenn du die Sache ernsthaft angehst, Arkadi, dann nageln die dich ans Kreuz wie Obidins Christus. Komm schon, Mann, nimm’s nicht so schwer.«
    Guri schien aufrichtig besorgt. Sie waren Kabinengenossen und Kameraden, beide mit einer leidvollen Vergangenheit. Wenn er es sich genau überlegte, so hatte Arkadi kein Recht, über die Ambitionen eines anderen zu spotten, zumal er überhaupt keine hatte, außer den Kopf einzuziehen und zu überleben. Woher kam plötzlich dieser Tugendeifer? Hatte er den nicht längst erstickt?
    »Schon gut, du hast ja recht«, sagte er. »Ich werde in neuen Kategorien denken.«
    »Gott sei Dank.« Erleichtert tauchte Guri ein neues Kondom ins Wasser. »In neuen und rentablen Kategorien, wenn’s geht.«
    Arkadi machte einen Versuch. »Angenommen, du versuchst gar nicht erst, den Geruch zu übertünchen, um die Grenzbeamten irrezuführen. Wenn wir nach Wladiwostok kommen, dann bring die Hunde von der Fährte ab, indem du ihnen ganz einfach was anderes zu schnüffeln gibst. Wie wär’s zum Beispiel, wenn du ein bißchen Hunde- oder Katzenurin sammelst und auf ein paar Kisten schmierst?«
    »Das gefällt mir«, sagte Guri. »Der neue Arkadi. Ich sag dir was, noch besteht Hoffnung.«
    Es war Abend geworden, als Arkadi zur Kapitänskajüte zurückkehrte. Die meergrünen Wände verliehen dem Raum einen eigenartigen Unterwassereffekt. Rings um den Schreibtisch, auf dem eine schimmernde Batterie von Gläsern und Mineralwasserflaschen aufgebaut war, saßen Martschuk, der Erste Maat Wolowoi und ein dritter Mann, der nicht viel größer war als ein Kind. Seine umschatteten Lider zeugten von Schlafmangel, sein Haar war wirr und struppig wie Stroh, und in seinem Mundwinkel hing eine kalte Seemannspfeife. Das Außergewöhnliche an ihm war, daß Arkadi ihn nie zuvor gesehen hatte.
    Slawa hatte bereits angefangen. Zu seinen Füßen lag ein Segeltuchsack. »Nach meinem Besuch auf der Eagle habe ich mich mit dem Ersten Maat Wolowoi beraten. Wir waren beide der Meinung, daß wir mit Unterstützung der Parteiaktivisten und einiger Freiwilliger unseres Schiffes imstande sein dürften, die gesamte Mannschaft der Polar Star zu verhören, um festzustellen,

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