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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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wie eine Blaskapelle. Der Lärm, den sie veranstaltete, würde das Flüstern eines U-Bootes mit Sicherheit übertönen.
    Arkadi interessierte sich nicht für Spionage. Als er während seiner Militärzeit gezwungen gewesen war, stundenlang in einer Funkstation auf dem Dach des Hotel Adler in Ost-Berlin zu hocken, da hatte er sich angewöhnt, irgendeine Melodie vor sich hinzusummen - Presley, Prokofieff, was ihm gerade in den Sinn kam. Die anderen fragten ihn, warum er denn nicht auch einmal durchs Fernglas hinüber zu den Amerikanern auf dem Dach des Sheraton in West-Berlin schauen wolle. Vielleicht mangelte es ihm an Phantasie. Er mußte erst einen anderen Menschen leibhaftig vor sich sehen, ehe sein Interesse geweckt wurde. Im Augenblick stand er vor dem Problem, daß der Laderaum trotz Sinas geheimnisvoller Bandaufnahme von außen aussah wie ein ganz gewöhnlicher Fischladeraum und nichts weiter.
    Der Leutnant hatte Sina gegenüber ein Sichtloch erwähnt. Doch Arkadi konnte keines entdecken. Die Tür fühlte sich feuchtkalt und klebrig an, überhaupt nicht anheimelnd. Abwägend betrachtete er die Ankerwinden in der Öltonne, zögerte einen Moment und suchte sich dann eine aus. Das Ding war schwer wie ein Brecheisen. Wenn er es erst einmal bis zur Schulter hochgewuchtet hatte, würde er einer Ratte, die vielleicht mit herauskroch, hilflos ausgeliefert sein. Schon der bloße Gedanke brachte ihn ins Schwitzen. Aber die Nagetiere hielten sich zurück, und als Arkadi das Spill in die Haspe am Vorhängeschloß rammte und daran ruckte, sprang das Schloß auf wie eine Feder - noch ein Minuspunkt für die staatlichen Qualitätskontrollen. Das eigentliche Sperrad gab erst nach, als er sich mit einem Fuß gegen die Pumpe stemmte. Dann drehte es sich widerstrebend mit einem metallischen Knirschen, und er stieß die Tür auf.
    Der Laderaum erstreckte sich über drei Decks der Polar Star, ein dunkler Schacht, notdürftig erhellt von einer einzigen nackten Birne, die auf Arkadis Ebene hing. Normalerweise hatte jede Ebene eines solchen Laderaums ihr eigenes Deck mit jeweils einer Öffnung in der Mitte, um Fischkisten von unten heraufzuhieven. Dieser durchgehende, steile Schacht hier kam ihm merkwürdig vor; es hatte fast den Anschein, als habe nie die Absicht bestanden, den Laderaum überhaupt zu nutzen. Ein wasserdichter Lukendeckel oben im Hauptdeck sorgte dafür, daß der abgestandene Geruch von Fisch und Salzwasser hübsch konserviert wurde. Die Rohrleitungen an den Seitenwänden, durch die für gewöhnlich das Kühlwasser zirkulierte, waren von einem Holzplankengitter überzogen. Von der Luke im Hauptdeck führte eine Leiter an der Tür vorbei hinunter zum Bodendeck. Arkadi schloß die Tür hinter sich und begann, die Sprossen hinabzuklettern.
    Beim Abstieg gewöhnten sich seine Augen allmählich an die Dunkelheit. Hin und wieder erhaschte sein Blick eine Ratte, die über die Rohre davonflitzte. Ratten versuchten nie, in einen Kühlraum einzudringen, der in Betrieb war - ein Zeichen von Intelligenz. Es wäre, ging es ihm durch den Kopf, ein Zeichen von Intelligenz seinerseits gewesen, eine Taschenlampe mitzubringen. Es gab so viele Ratten, daß sich ihr Hin-und-her-Gehusche anhörte wie ein leichter Wind, der durch das Geäst eines Waldes raschelte.
    Dort unten hätten eigentlich Decks sein müssen, ein Flaschenzug, mit Rauhreif bedeckte Kisten. Das Beladen eines solchen Depots war eine regelrechte Seemannskunst. Die Kästen mit gefrorenem Fisch mußten nicht nur rutschsicher gestapelt, sondern auch durch Planken so weit voneinander getrennt werden, daß träge Luftmassen, die unter dem Nullpunkt lagen, dazwischen zirkulieren konnten. Arkadi aber fand nichts von alledem. Auf jeder Ebene, zu der er hinabstieg, befanden sich lediglich eine Tür, eine Steckdose und ein Thermostat. Jede neue Ebene war finsterer als die vorhergehende, und als er von der letzten Sprosse auf das geräumigere Bodendeck trat, kam er sich fast vor wie ein Blinder, obgleich er spürte, daß seine Pupillen sich bis zu den Rändern geweitet hatten. Wie ein Krater, dachte er, zum Mittelpunkt der Erde.
    Er riß ein Streichholz an. Das Deck bestand aus Planken, die ebenfalls über ein Rohrgitter führten, unter dem ein Zementboden sichtbar wurde. Arkadi entdeckte Apfelsinenschalen, ein Brett, leere Farbdosen und eine Decke; irgendwer hatte den Fischraum benutzt, um hier heimlich Verdünnungsmittel zu schnüffeln. Ein kammartiges Skelett löste das Rätsel,

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