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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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was aus der Schiffskatze geworden war. Was Arkadi nirgends entdecken konnte, waren ein Leutnant des Marinegeheimdienstes, ein Feldbett, ein Fernseher oder ein Computerterminal. Unter dem Boden befanden sich nur noch Benzin- und Wassertanks und der Zweihüllenrumpf der Polar Star. Dort war zwar möglicherweise Platz genug, um Schmuggelware zu verstecken, aber wohl kaum für ein komplett eingerichtetes Zimmer. Arkadi steckte ein abgebrochenes Brett in einen Spalt in der Wandverschalung. Keine Geheimtür, die sich plötzlich vor ihm auftat. Er versuchte es noch an mehreren Stellen, doch als alle Finessen erfolglos blieben, schmetterte er das Brett schließlich mit voller Wucht gegen die Planken. In das dröhnende Echo mischten sich schrille Proteste der Rattengalerie über ihm, Offiziere des Marinenachrichtendienstes erschienen nicht.
    Als er die Leiter wieder hinaufkletterte, fühlte Arkadi sich wie einer, der nach einem Tauchgang an die Wasseroberfläche zurückkehrt; es war, als halte er den Atem an und schwimme der Glühbirne dort oben entgegen. Sinas Band ergab nun keinen Sinn mehr. Vielleicht hatte er das Gespräch auch mißverstanden. Vielleicht würde er in Wainus Sprechzimmer einen Schluck Wodka finden. Ein kleiner Wodka in einem hellerleuchteten Raum, das wäre schön. Wieder auf gleicher Höhe mit der Glühbirne, stieß er die Tür auf. durch die er gekommen war, und schwang sich hinaus. Die Faßdauben und die Wärmepumpe kamen ihm schon ganz vertraut vor, schienen ihn willkommen zu heißen. Er streifte das kaputte Vorhängeschloß wieder übers Rad; Guri, der »Biznessman«, würde ihm helfen, ein neues aufzutreiben.
    Als Arkadi sich in Richtung Fabrik wandte, erloschen plötzlich die Lichter über der Wärmepumpe und dem Caisson, der inmitten all des Gerümpels stand. Aus der Dunkelheit löste sich eine Gestalt und rammte ihm eine Faust in den Magen. Er klappte zusammen, würgte keuchend, und schon stopfte ihm jemand einen nassen Lumpen zwischen die Zähne. Ein zweiter Lappen wurde ihm über den Mund gebunden und im Nacken verknotet. Dann streifte man ihm einen Sack über Kopf und Schultern bis hinunter zu den Füßen. Über diesen Sack wurde in Brusthöhe eine Art Gürtel geschnallt. Er reagierte genau richtig, winkelte die Arme ab und atmete tief durch, wobei er einen Erstickungsanfall erlitt, da der Lumpen in seinem Mund mit Benzin getränkt war. Der Knebel hatte die Zunge so weit zurückgepreßt, daß er nahe daran war, sie zu verschlucken. Um sie freizubekommen, atmete er mit einem Ruck aus, und im selben Moment wurde der Gürtel nachgezogen, wie ein Sattelgurt.
    Er wurde hochgehoben und weggetragen - wenn er sich nicht täuschte, von drei Männern. Einer würde außerdem noch vorneweg gehen, um den Weg freizumachen oder eventuell Entgegenkommende abzulenken, und möglicherweise war auch noch jemand hinter ihnen. Sie waren stark und gingen mit ihm um wie mit einem Besenstiel. Er gab sich alle Mühe, die Benzindämpfe nicht einzuatmen. Auf langen Seereisen taten sich mitunter einzelne Matrosen zusammen, um sich einen kleinen Rausch anzuschnüffeln. Trotz aller Anstrengung stahlen sich immer wieder beißende Dämpfe seine Kehle hinunter.
    Sie hätten ihn einfach in den Fischraum werfen können; es wären Tage vergangen, ehe man ihn dort gefunden hätte. Also war es vielleicht ein gutes Zeichen, daß sie ihn statt dessen geknebelt und in den Sack gesteckt hatten. Er war noch nie zuvor entführt worden, auch nicht in all den Jahren bei der Staatsanwaltschaft in Moskau, und so war er mit den Gepflogenheiten von Kidnappern nicht näher vertraut. Trotzdem war er sich ziemlich sicher, daß sie ihn nicht gleich umbringen wollten. Wahrscheinlich waren es Leute aus der Mannschaft, voller Wut darüber, daß ihr Landgang ins Wasser zu fallen drohte. Selbst wenn sie ihn nicht aus dem Sack herausließen, konnte er mit etwas Glück vielleicht eine Stimme erkennen, sollten seine Entführer miteinander flüstern.
    Es wurde nur ein kurzer Spaziergang. Als sie stehenblieben, hörte er, wie an einem Türrad gedreht wurde. Arkadi hatte nicht bemerkt, daß die Männer nach rechts oder links abgebogen wären. Ob sie ihn geradewegs zum Fischraum zurückgebracht hatten? Die einzigen wasserdichten Eingänge auf dieser Ebene führten jedenfalls zu den Laderäumen. Die Tür sprang quietschend auf, und gleichzeitig hörte er Eis splittern. Aus einem Schmelzofen schlagen glühende Hitzeschwaden, aus einem Kühlhaus mit einer

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