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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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verschwunden. Arkadi packte alle Utensilien ordentlich zusammen. Er hatte Sina gefunden. Nun galt es, den Leutnant zu finden, der sie Sinouschka nannte.
    Unter Deck war alles auf die Fischladeräume hin ausgerichtet. Gewiß hatte es schon auf Noahs Arche so etwas wie einen Fischladeraum gegeben. Als er Petrus einen »Menschenfischer« nannte, würdigte Jesus damit indirekt bestimmt auch die Vorteile eines solchen prall gefüllten Lagerraumes. Falls unsere Kosmonauten jemals auf Solarwinden fliegen sollten, um Proben galaktischen Lebens einzufangen, werden auch sie so eine Art Fischladeraum an Bord ihrer Raumfähren brauchen.
    Und doch war auf der Polar Star nun schon seit zehn Monaten der vordere Laderaum außer Betrieb. Verschiedene Erklärungen dafür waren im Umlauf: Angeblich gingen dauernd irgendwelche Rohre zu Bruch, ein unauffindbarer Kurzschluß legte die Wärmepumpe lahm, die Plastikisolierung sonderte einen gefährlichen Giftstoff ab. Was auch immer der Grund sein mochte, jedenfalls mußten die Entladeschiffe häufiger als gewöhnlich mit der Polar Star zusammentreffen, um den Fang zu übernehmen, der sich in den beiden anderen Laderäumen staute. Außerdem war der Platz rings um den unbenutzten Laderaum nach und nach zu einer Art Schutthalde für Stahlplatten und ausgediente Faßdauben geworden. Als sich immer mehr Abfall im Laufgang sammelte, ging die Mannschaft dazu über, einen zwar längeren, dafür aber zügigeren Weg zu benutzen, um an Deck zu kommen.
    Eine Kette von Glühbirnen beleuchtete den Gang zwischen Schott und Laderaum, dessen wasserdichter Zugang mit einer Rampe versehen war, die dazu diente, die Kisten mit gefrorenem Fisch über das Süll zu hieven. Das Rad an der Tür war mit einem imponierend großen Vorhängeschloß gesichert. Neben der Tür befand sich eine Wärmepumpe, deren Verkleidung abmontiert worden war und die ein erstaunliches Gewirr miteinander verbundener Drähte den Blicken darbot. Auf der anderen Seite der Tür stand eine Öltonne voll mit Ankerspillen. Auf dem Boden der Tonne wimmelte es von Ratten. Seit Arkadi an Bord war, hatte man das Schiff nicht mehr ausgeräuchert. Er fand es bemerkenswert, daß Ratten neben Brot und Käse auch Farbe, Plastikrohre, Leitungsnetze, Matratzen und Kleidungsstücke fraßen - eigentlich alles, bis auf gefrorenen Fisch.
    Es schien ihm, als hätten zwei Sinas existiert. Da war einmal die Sina, die praktisch mit jedem ins Bett gestiegen war, und dann gab es da noch jene andere Frau, die still für sich in einer Welt versteckter Fotos und geheimer Tonbandaufnahmen gelebt hatte. Eines dieser Bänder konnte man nur als gefährlich bezeichnen. Der verliebte Leutnant hatte mit der Schlafzimmertemperatur und den vierzig Prozent Luftfeuchtigkeit im Fischladeraum geprahlt. Erst einmal hatte Arkadi bis dahin gehört, daß jemand sich die Mühe machte, den Feuchtigkeitswert eines Raumes zu erwähnen - im Computerraum des Milizhauptquartiers in der Petrawka-Straße in Moskau.
    So weit, so gut. Arkadi hegte keinen Groll gegen den Marinegeheimdienst. Jeder sowjetische Frachter an der Pazifikküste wußte schließlich, daß amerikanische U-Boote andauernd in die Hoheitsgewässer der Sowjetunion eindrangen. In besonders finsteren Nächten beispielsweise tauchten im Tatarischen Sund plötzlich Periskope auf. Der Feind folgte sowjetischen Kriegsschiffen sogar bis in den Hafen von Wladiwostok. Was Arkadi nicht verstand war, wie eine mögliche Abhörstation in einem Fischladeraum in der Lage sein sollte, irgend etwas auszukundschaften. Ein Echolot informierte nur über das, was sich unmittelbar unter ihm befand, und kein U-Boot würde sich direkt unter einen Trawler wagen. Soweit Arkadi wußte, konnte man mit Passiv-Sonar, einem Hydrophon beispielsweise, auch Klangwellen aus etlicher Entfernung auffangen, aber alte Fabrikschiffe wie die Polar Star besaßen eine Außenhaut, die unter allen Standards lag, so dünn, daß sie sich mit jeder Welle vor- und zurückbog und dabei dröhnte wie eine Trommel. Die Platten waren längst nicht optimal verschweißt, mit fehlerhaften und zu kleinen Nieten versehen, mit porösem Zement abgedichtet und mit Balken abgestützt, die knarrten wie morsche Knochen. All das machte das Schiff zwar in gewisser Weise menschlicher, ja sogar vertrauenswürdiger, etwa so wie ein zusammengeflickter alter Veteran ungeachtet all seiner Beschwerden zuverlässiger war als ein hübscher junger Rekrut. Trotzdem, die Polar Star pflügte durchs Meer

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