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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Verzögerung beim Geldtransfer, Schwankungen im politischen Klima.
    Die Vorfreude auf Dutch Harbor hatte einen jeden an Bord gepackt wie ein Fieber. Denn es war nicht nur der erste Landgang nach mehr als vier Monaten auf See, dieser heißersehnte, kurze Aufenthalt in einem amerikanischen Laden, noch dazu mit ausländischer Währung in der Tasche, es war vielmehr der Kernpunkt der ganzen Reise. Wenn ein Mann auf Fischfang gehen oder eine Frau Fische ausnehmen wollte, so konnten sie das beide auch vor der sowjetischen Küste tun und brauchten nicht ein halbes Jahr im Beringmeer zu verbringen. Die Frauen trugen frischgewaschene Blusen mit eben erblühtem Blumendruck, und ihre Frisuren waren mit Haarnadeln gespickt. Bei den Männern gab es ziemliche Unterschiede. Das Schiff steuerte mit voller Kraft auf die Aleuten zu, und da wurden auch die Boiler für die Duschen aufgeheizt, was etwa die Hälfte der Männer ausgenutzt hatte, die nun sauber geschrubbt und in saloppen Freizeithemden erschienen waren. Die andere Hälfte, die Skeptiker, hatten vorsichtshalber Dreckkruste und Bartstoppeln noch behalten.
    »Die Religion«, las Natascha von einem Flugblatt ab, »die Religion lehrt, daß Arbeit kein freiwillig geleisteter Beitrag zum Wohle des Staates sei, sondern eine uns von Gott auferlegte Verpflichtung. Ein Bürger, der diese Meinung vertritt, wird sich wohl kaum bemüßigt fühlen, sparsam mit den ihm anvertrauten Materialien umzugehen.«
    Aus der mittleren Reihe meldete sich Obidin zu Wort. »Hat Gott etwa gespart, als er Himmel und Erde schuf? Oder als er den Elefanten erschaffen hat? Vielleicht legt Gott ja gar keinen Wert auf Materialersparnis.«
    »Und wenn dieses Material Staatseigentum ist?« Natascha war empört.
    »Warum versuchen Sie, Natascha umzukrempeln?« Wolowoi hatte sich unbemerkt an Arkadi herangemacht. »Sie ist eine einfache Arbeiterin. Warum wollen Sie sie in Ihre Drecksarbeit hineinziehen?«
    Natascha hatte Arkadi mit zu ihrem Vortrag geschleppt. Nicht, daß er sich hätte widersetzen können, schwach, wie er war. Er war stehengeblieben, aus Angst, andernfalls womöglich nicht wieder auf die Füße zu kommen. Um sein fiebriges Zittern vor den Umstehenden zu verbergen, hielt er die Arme über der Brust verschränkt. Aufgebrachte Stimmen schrien Obidin zu: »Halt die Klappe! Hör lieber zu und lerne was!«
    »Noch vor zwei Tagen wußte die Hälfte der Leute auf diesem Schiff nicht einmal, wer Sie sind«, fuhr Wolowoi fort. »Heute sind Sie der meistgehaßte Mann an Bord. Sie haben sich selbst reingelegt. Zuerst sagen Sie, Sina Patiaschwili ist ermordet worden. Und jetzt können Sie diesen Leuten, die doch Ihre Kameraden sind, nicht zu ihrem wohlverdienten Landgang verhelfen, ohne Ihre Behauptung zu widerrufen.«
    »Irgendwer hat es wohl so hingestellt, als ob das von mir abhinge«, sagte Arkadi.
    »Gerüchte haben immer tausend Zungen.« Wolowoi warf einen Blick auf seine Uhr. »Nun, es bleiben Ihnen noch genau elf Stunden, um Ihre große Entscheidung zu fällen: Dürfen wir in Dutch Harbor an Land gehen oder nicht? Werden Sie zugeben, daß Sie sich geirrt haben, oder wollen Sie sich allein gegen die gesamte Mannschaft stellen? Einige vertrauen vielleicht darauf, daß Sie einen Kompromiß suchen werden. Ich kenne Sie persönlich zwar nicht besonders gut, aber Ihren Typ, den kenne ich. Sie würden eher die ganze Mannschaft von Dutch Harbor fernhalten, als zuzugeben, daß Sie einen Fehler begangen haben.«
    »Die Wissenschaft ist zu der Erkenntnis gelangt«, verkündete Natascha vorn am Rednerpult, »daß die brennenden Kerzen auf dem Altar einer Kirche hypnotische Wirkung haben. Im Vergleich dazu dürfen wir sie, die Wissenschaft, als Elektrifizierung des Geistes betrachten.«
    »Sehen wir’s doch mal realistisch«, sagte Wolowoi. »Was haben Sie schon zu verlieren? Sie haben keinen Parteiausweis, keine Familie.«
    »Haben Sie Familie?« Arkadi fragte das aus ehrlichem Interesse. Er sah die Wohnung des Invaliden in einem der tristen Hochhäuser von Wladiwostok vor sich: eine geistlose Ehefrau, eine Schar von kleinen Wolowois, die sich, geschmückt mit den roten Halstüchern der jungen Pioniere, um den Fernseher scharten.
    »Meine Frau ist zweite Sekretärin der Stadtverwaltung.«
    Streichen wir die geistlose Ehefrau, dachte Arkadi. Ersetzen wir sie durch eine gleichwertige Partnerin, und schon haben wir jenen Hammer und jenen Amboß, denen wir die nächste Kommunistengeneration verdanken werden.
    »Und

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