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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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ihren Rock glatt. »Nun, was wissen Sie über die Mannschaft? Was wissen Sie zum Beispiel über Dynka?«
    Wieder fühlte er sich überrumpelt. »Ich würde sagen, sie ist ein nettes …« Weiter kam er nicht. »Mit vierzehn hat man sie an einen Alkoholiker verheiratet.
    Einen Taxifahrer. Aber wenn ihr Ahmed eine Entziehungskur macht, nehmen sie ihm für fünf Jahre seine Lizenz weg, sowie er sich in der Klinik einschreibt. Also muß sie ihm auf dem Schwarzmarkt die nötigen Medikamente beschaffen. In Kasachstan würde sie nicht genug verdienen, um sich das leisten zu können, und darum muß sie hier draußen arbeiten. Die Alte in Nataschas Kabine, Elisaweta Fedorowna Malsewa, hockt den ganzen Tag über ihrer Stickerei. Ihr Mann war Zahlmeister bei der Schwarzmeerflotte, bis er sich an eine von den weiblichen Passagieren ranmachte, die prompt Anzeige erstattete: Vergewaltigung. Seit fünfzehn Jahren sitzt er in einem Arbeitslager. Die Malsewa kommt gerade so über die Runden, vorausgesetzt, sie kriegt ihre tägliche Dosis Valeryanka. Behalten Sie sie im Auge, wenn wir nach Dutch Harbor kommen; sie wird unter Garantie versuchen, sich Valium zu beschaffen. Immer die gleiche Geschichte. Sie sehen also, Genosse, Sie sind von lauter menschlichen Schwächen umgeben, von Frauen mit Vergangenheit - Schlampen, wenn Sie so wollen.«
    »Das habe ich nie behauptet.« Tatsächlich war es Natascha gewesen, die Sina als erste eine Schlampe genannt hatte, aber Arkadi hatte nicht den Eindruck, daß es ihm weiterhelfen würde, sich auf irgendeine Logik zu berufen. Im übrigen wollte er gar nicht mehr gegen die Situation ankämpfen. Er hatte schon immer den Verdacht gehegt, daß Männer zwar recht gut als Polizisten taugten, Frauen aber die besseren Ermittlungsbeamten abgeben würden, zumindest jedoch eine andere Art, da sie die Indizien nach anderen Kriterien auswerten, sich eher seitwärts oder rückwärts orientieren würden, statt stur geradeaus und mit den Scheuklappen der Männer.
    »Er interessiert sich eigentlich mehr für die Amerikaner«, sagte Natascha. »Wir sind oben auf Deck mit dieser affektierten Ziege, dieser Susan, zusammengestoßen.«
    »Was hat er denn? Ist er krank?« fragte Lidia.
    Arkadi hatte sich schon so an das Zittern gewöhnt, daß es ihm gar nicht mehr auffiel.
    »Er gibt nicht acht auf sich«, sagte Natascha. »Er steckt seine Nase in Ecken, die er meiden sollte, und stellt Fragen, die er besser nicht stellen würde. Er will sich eben Klarheit verschaffen über Sinas Techtelmechtel mit den Offizieren.«
    »Welche Offiziere?« fragte Lidia.
    Arkadi wehrte ab: »Ich habe mich nur ganz allgemein bei Natascha erkundigt, ob es vorkommt, daß Offiziere mit Mädchen von der Mannschaft schlafen.«
    »Das ist ein weites Feld.« Lidia füllte abermals sein Glas. »Auf einem Schiff wie diesem leben wir sechs Monate ohne Unterbrechung auf engstem Raum zusammen. Wir verbringen mehr Zeit auf See als daheim mit unseren Familien. Natürlich entwickeln sich da Beziehungen, schließlich sind wir alle nur Menschen. Mit normalen menschlichen Bedürfnissen. Aber wenn Sie davon etwas in Ihren Bericht schreiben, können Sie damit manch einen ruinieren. Ein Name, der einmal in einem Bericht auftaucht, wird nämlich nie wieder gelöscht. Von außen betrachtet, könnte eine solche Geschichte schlimmer aussehen, als sie ist. Da könnten Ihre Ermittlungen im Fall Sina Patiaschwili plötzlich eine umfassende Untersuchung nach sich ziehen, die Mannschaft könnte sich in Schürzenjäger und leichte Mädchen teilen. Verstehen Sie, was ich sagen will?«
    »So langsam schon«, sagte Arkadi.
    »Stimmt.« Natascha nickte.
    »Sie sprechen von sich, von Ihrem guten Namen«, stellte Arkadi fest.
    »Alle Welt weiß, was eine Bufettschitsa macht«, sagte Lidia gleichmütig. »Ich leite die Offiziersmesse, halte die Kapitänskajüte sauber und den Kapitän bei Laune. Das ist so üblich, und ich wußte es, als ich mich um diesen Posten bewarb. Das Fischereiministerium weiß es. Seine Frau weiß es. Wenn ich mich nicht um ihn kümmern würde, während wir auf See sind, würde er gleich an der Haustür über sie herfallen, also weiß sie Bescheid. Andere Offiziere haben andere Arrangements getroffen. Verstehen Sie, das macht uns menschlich, aber es macht uns noch lange nicht zu Verbrechern. Wenn Sie davon auch nur eine Andeutung in Ihren Bericht einfließen lassen, zwingen Sie das Ministerium und all die Ehefrauen, denen es weitaus lieber ist, zu

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