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Polaris

Polaris

Titel: Polaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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können.
    Sie förderte einen Dekanter mit dunkelrotem Landwein zutage, und als Alex seine Hilfe anbot, beharrte sie darauf, dass er sitzen bleiben und sich entspannen solle. »Sie hatten einen langen Flug«, sagte sie. »Ich werde mich darum kümmern.« Sie entfernte den Korken, schenkte drei Gläser ein, reichte jedem von uns eines und brachte einen Toast aus: »Auf die Historiker der Welt, die immer irgendwie danebenliegen.«
    Sie strahlte Alex an, um ihm zu zeigen, dass sie sehr genau wusste, wer er war, und dass sie Leute zu schätzen wusste, die sich nicht scheuten, alles über den Haufen zu werfen und alte Zöpfe bei Bedarf abzuschneiden. »Mr. Benedict«, fuhr sie fort, »es ist mir ja so eine Freude, Sie kennen zu lernen. Und natürlich Ms. Kolpath. Sie beide. Hier, bei mir zu Hause. Ich kann es kaum glauben. Ich kann Ihnen sagen, ich hätte einiges darum gegeben, dabei zu sein, als Sie Ihre Entdeckung gemacht haben.«
    Sie war eine gepflegte Dame, nicht groß, erstaunlich blaue Augen und die aufrechte Haltung einer Person, die allenfalls halb so alt sein dürfte. Ihr Haar war weiß, aber ihre Stimme war klar und kraftvoll. Sie stellte den Dekanter auf einem Kaffeetisch ab, wo wir ihn alle erreichen konnten, und setzte sich in einen Lehnstuhl. »Ich nehme an, Sie wollen mir Fragen über Michael stellen.«
    Michael war der zweite Ehemann, bekannt für seine Arbeit über das kolumbianische Zeitalter. »Eigentlich«, entgegnete Alex, »interessiere ich mich mehr für Shawn.«
    »Shawn?« Bestätigung suchend blickte sie zu mir. Niemand hat sich je für Shawn interessiert. »Nun, gewiss. Was möchten Sie wissen?«
    Auf einem Bücherregal und einem Nebentisch standen Bilder. Eine verwegen ausschauende junge Audrey und ein Shawn Walker mit verträumtem Blick. Und eine viel ältere Audrey mit einem anderen Mann, formell, weißer Backenbart, dienstfertige Miene: Kimonides.
    »Ich hatte mich gefragt, ob Sie uns erzählen können, welcher Art seine Arbeit war?«
    »Gewiss doch«, antwortete sie. »Das ist nicht so kompliziert, denke ich. Er hat KIs entwickelt, installiert und gepflegt. Dreißig Jahre lang hat er für CyberGraphic gearbeitet, ehe er seine eigene Firma aufgemacht hat. Aber ich nehme an, das wissen Sie bereits.«
    »Ja.«
    »Darf ich fragen, warum Sie das interessiert? Gibt es womöglich irgendein Problem?«
    »Nein«, sagte Alex. »Wir versuchen nur herauszufinden, was auf der Polaris geschehen ist.«
    Sie brauchte einen Moment, um diesen Gedanken zu verarbeiten. »Das hat Shawn sich auch sein Leben lang gefragt.«
    »Davon bin ich überzeugt.«
    »Ja. Eine sonderbare Sache war das. Ich habe nie verstanden, wie das passieren konnte. Aber ich wüsste nicht, wie ich Ihnen helfen könnte.«
    »Guter Wein«, bemerkte ich, um das Tempo ein bisschen zu drücken.
    »Danke, meine Liebe. Der ist von Mobry.«
    Ich bezweifele, dass einer von uns eine Ahnung hatte, wer oder was Mobry war, aber Alex nickte dennoch weise. »Mrs. Kimonides…«, fing er an.
    »Oh, bitte, nennen Sie mich Audrey.«
    »Audrey, gern. Shawn war auf der Peronovski.«
    »Das ist richtig. Er war auf dem ersten Schiff, das am Ort des Geschehens eingetroffen ist. Er und Miguel Alvarez - Miguel war der Captain – waren die Männer, die die Polaris entdeckt haben.« Für einen Augenblick spiegelte sich Bedauern in ihren Zügen. »Von Miguel Alvarez wusste natürlich jeder. Der Captain. Aber wenn man nur die Nummer zwei ist, wird man gar nicht wahrgenommen.«
    »Hat er je mit Ihnen darüber gesprochen? Hat er Ihnen erzählt, was da draußen passiert ist?«
    »Alex, er hat es der ganzen Welt erzählt. Wenn Sie mich fragen, ob er im Privaten Dinge erzählt hat, die er der Kommission verschwiegen hat, dann lautet die Antwort: Nein. Abgesehen von seinen persönlichen Gefühlen.«
    »Was hat er gefühlt?«
    »Angst. Entsetzen wäre vielleicht das richtige Wort.« Ich konnte sehen, wie sie über die Jahre zurückblickte und den Kopf schüttelte. »Es war eine nervenraubende Erfahrung. Er kannte Warren persönlich, wissen Sie?«
    »Mendoza?«
    »Ja. Sie waren enge Freunde. Sie sind zusammen aufgewachsen, und sie haben über die Jahre hinweg engen Kontakt zueinander gehalten.« Ihre Augen schlossen sich und öffneten sich wieder. »Der arme Warren. In der alten Zeit haben wir viel mit ihnen gemeinsam gemacht. Mit ihm und seiner Frau Amy.«
    »Kannte Shawn sonst noch irgendjemanden, der an dem Flug teilgenommen hat? Kannte er vielleicht Tom

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