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Polaris

Polaris

Titel: Polaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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können mehr als einhundert Personen aufnehmen; viele haben gerade Platz für vier. Tatsache ist, Sie hätten, selbst wenn Sie die gesamte Flotte zum Einsatz brächten, nicht genug Kapazität, um dreißigtausend Personen zu verschiffen. Angenommen, Sie würden alles, was Sie haben, wöchentlich im Rundflug einsetzen, um die Sache voranzutreiben, dann könnte es Ihnen gelingen, eine Million fünfhundertsechzigtausend Personen im Jahr zu transportieren. Runden wir auf, dann kommen wir auf eins-Komma-sechs Millionen.
    Toxicons Bevölkerungswachstum liegt unter einem Prozent. Das beweist eine markante Zurückhaltung. Trotzdem werden jährlich fünf Millionen Geburten verzeichnet. Also ist die Reproduktionsrate der Bevölkerung von Toxicon dreimal so hoch wie die Zahl der Personen, die von der gesamten Flotte binnen eines Jahres abtransportiert werden könnte.«
    Alex wusste, dass er in dieser Diskussion unterlegen war. »Sie sind außerdem ein Gegner der Persönlichkeitsrekonstruktion.«
    »Ja.«
    »Aber damit haben Sie Ihren Lebensunterhalt verdient. Immerhin fast acht Jahre lang. Und nicht nur im Zuge der Behandlung von Kriminellen.«
    »Zunächst habe ich auch daran geglaubt.« Er unterbrach sich, als müsse er überlegen, was er sagen sollte. »Alex, einige meiner Patienten waren so voller Angst vor der Welt um sie herum, dass sie mit ihrem Leben einfach nicht mehr zurechtgekommen sind.«
    »Angst vor der Welt um sie herum? Was bedeutet das?«
    »Das bedeutet, dass sie Angst hatten, zu versagen oder zurückgewiesen zu werden. Sie dachten, sie wären vielleicht einfach unzulänglich. Manchen konnte mit Medikamenten geholfen werden. Aber es gab andere, deren psychischer Zustand zu heikel oder in manchen Fällen zu gestört war.«
    »Waren sie selbstmordgefährdet?«
    » Oder potentiell kriminell, oder sie neigten in anderer Hinsicht zu einem antisozialen Verhalten.« Er schloss die Augen, und für einen Moment schwieg er. Dann blickte er wieder auf. »Ich wollte ihnen ein anständiges Leben ermöglichen. Ich wollte ihnen die Angst nehmen, ihnen einen Grund geben, sich selbst zu achten. Ich wollte, dass sie stolz darauf sein konnten, wer sie waren. Also veränderte ich sie. Verbesserte sie. «
    »Aber…«
    »Aber irgendwann wurde mir klar, dass die Person, die aus der Behandlung hervorging, nicht die Person war, die mich um Hilfe gebeten hatte. Die alten Erinnerungen waren fort. Das alte Leben war fort. Die Person hinter den Augen war fremd. Ich hätte meinen Patienten neue Namen geben können, und sie hätten es nicht einmal bemerkt.«
    »Aber wenn es diesen Leuten so schlecht ging…«
    »Ich hatte keine Befugnis, ein Todesurteil zu verhängen!« Seine Stimme zitterte bei diesen Worten. »Aber das war es, was ich getan habe. In mehr als hundert Fällen. Und darin sind die unzähligen Mörder, Entführer, Diebe und Schläger, zu deren Behandlung ich herangezogen wurde, nicht einmal enthalten.« Das Wort »Behandlung« spie er förmlich aus. »Es muss einen Weggeben, auch die verdrehteste Psyche zu entwirren. Die Essenz des Individuums zu erhalten, während die abträglichen Bestandteile seines Charakters ausgemerzt werden.«
    »Aber diesen Weg haben Sie nie gefunden.«
    »Nein.«
    »Warum haben Sie an dem Flug auf der Polaris teilgenommen?«
    Seine Stimmung änderte sich. »Wie hätte ich mir das entgehen lassen können? Wer würde freiwillig auf so ein Schauspiel verzichten? Außerdem, wenn Sie die Wahrheit hören wollen, ich fühlte mich geschmeichelt, mit Mendoza, White, Urquhart und den anderen auf eine Ebene gestellt zu werden. «
    Die Aufzeichnungen bewiesen, dass Boland seinen Avatar stets auf dem neuesten Stand gehalten hatte. Das letzte Update war auf Indigo eingespeist worden, kurz bevor die Polaris zum letzten Abschnitt ihrer Reise aufgebrochen war. Ich fühlte mich also bemüßigt, mich zu erkundigen, wie die Dinge bis zu diesem Zeitpunkt gelaufen waren.
    Er lächelte. »Im ersten Abschnitt der Mission waren wir wie Kinder.«
    »Vor einem Moment haben Sie Entführer erwähnt. Haben Sie und Ihre Kollegen geplant, Tom Dunninger zu entführen?«
    »Lächerlich.«
    »Hätte er etwas in dieser Art geplant, hätte Dr. Boland seinen Avatar dann informiert?«
    »Nein«, antwortete er, »das wäre unbesonnen.«
     
    Wir verließen Sacracour so, wie wir gekommen waren: im Dunkeln. Es würde noch weitere neun Stunden dauern, bis Gobulus am Himmel aufstieg, und elf oder zwölf, bis sich die Sonne zeigen würde. Wir

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