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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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der NSDAP, dass die I. P. Gugy AG ermächtigt sei, das Polarrot für alle textilen Ausführungen der neuen Deutschen Reichsflagge zu liefern, zeigen, ohne dass große Abschlüsse gefolgt wären. Als Breiter begann, sich darauf zu konzentrieren, den östlichen Anteil auf das Zwanzigfache hinaufzuschreiben, konnte er plötzlich in Mönchengladbach eine große Lieferung platzieren, da die Konkurrenz nicht mehr liefern könne.
    Bereits in der Nacht machte er sich zur Mitte Deutschlands nach Bad Hersfeld auf. Knappe dreihundert Kilometer über Staub- und Schotterstraßen. Gepflasterte und geteerte Wegabschnitte waren die Ausnahme. Mit dem Johlen von Liedern aus der Kindheit wie „Es Burebüebli mahn-i-nid, das gseht me mir wohl a, juhe, das gseht me mir wohl a, fidiri, fidira, fidirallala“ oder „Es chunnt es Meiteli hurtig här, als wenn’s i luteren Ängste wär, ho ho-la du-i-ri-a ho ho-la-iu ho! Es geiht dürs Täli wohl uf und ab und fragt i de Gasse-n-e junge Chnab ‚wodüre-n-isch üsi schwarzbruni Chue.‘ ‚Sie isch gäge-s-Toggeburg zue‘ “, kämpfte er gegen den Schlaf, kaute unablässig altes Brot und trank seinen, eigentlich ungenießbaren, starken und übermäßig gezuckerten Tee, den er sich von einer Hotelköchin nach seinen Angaben hatte brühen lassen, was diese mit ungläubigem Kopfschütteln und den Worten „ma Junge, det kannste ja nich saufen“ quittierte.
    Vor Bad Hersfeld bog er in ein Wäldchen ab und legte sich aufs Ohr, bis er von einem Landjäger durch das Klopfen an den Scheiben geweckt wurde. Nachdem er seine Situation erklärt und seine Papiere gezeigt hatte, fuhr er zu einem Hotel, machte sich frisch und besuchte die erste von drei Textilfabriken.
    Breiter war der Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort, holte Auftrag um Auftrag ein, aß im Hotel feist und deftig, ließ sich seine Brühe kochen und altes Brot geben, bezahlte, bedingte sich noch aus, drei Stunden im Zimmer schlafen zu können, stellte seinen Reisewecker und nahm kurz nach zehn die nächsten dreihundert Kilometer unter die Räder.
    Im Osten lief es wie geschmiert, am besten in Plauen, nahe der tschechoslowakischen Grenze. Hier hatten sie den Auftrag vom Führer persönlich bekommen, so viele Fahnen wie nur möglich herzustellen, auch auf Halde; alleine, ihnen fehlte der Farbstoff. Für die Plauener hatte der Himmel Breiter geschickt, was diesen veranlasste, sofort nach Basel zu telegrafieren und darauf zu bestehen, die Kessel einzuheizen und die ganze Farbstoffproduktion für zwei Monate auf Polarrot umzustellen, worauf ihm de Mijouter antwortete, er solle eine Flasche Champagne auf Firmenkosten trinken, den Rausch ausschlafen und zurückkommen.
    Es wurde Sekt, die Bedienung, die sich immer wieder zu ihm setzte, ließ sich beim besten Willen nicht schön trinken, der Kater am anderen Tag war fürchterlich und die Heimreise zog und zog sich.
    Breiter kam nach zwei Tagen, gegen ein Uhr früh in Basel an, fand seine Post fein säuberlich auf der Kommode beim Eingang, überflog die Umschläge kurz und hielt bei einem crèmefarbigen, gefütterten, mit geschwungener Handschrift adressierten, absenderlosen Couvert kurz inne, beschloss, es in seinem Zimmer zu öffnen und schlich auf leisen Sohlen die Treppe hinauf.
    Kaum hatte er Licht gemacht, die Koffer in die Ecke gestellt und sich aufs Bett gesetzt, öffnete er das Couvert, zog ein fein geripptes Papier mit den oben rechts, in einem dezenten Grau und einer Groteskschrift gedruckten Initialen C. d M. hervor und hörte Charlottes raues Timbre, bevor er den ersten Buchstaben gelesen hatte.
    Lieber Herr Breiter
,
    Sie wundern sich jetzt sicher, warum ich Sie mit Sie anrede. Nun, ich denke, dass Du haben wir uns noch nicht verdient
.
    Beginnen wir den Weg dorthin doch mit der halben Zigarette, die Sie mir noch schulden. Zum Beispiel am nächsten Samstag, um 15.00 Uhr vor dem Eingang zum Zoo. Ich werde da sein
.
    Charlotte de Mijouter
    PS: Auf das Wort meines Mannes können Sie sich verlassen. Also: keine Angst!
    Breiter musste das Billett zweimal lesen. Und an Schlaf war auch nicht mehr zu denken. Auch nicht nach mehrmaligem Einsatz seiner rechten Hand.
    Breiter stürzte sich in seine Arbeit, schrieb Rapport um Rapport, bestätigte Bestellung für Bestellung, änderte diese von Polarrot G auf RS und umgekehrt, wenn der Stoff danach verlangte, fuhr täglich nach Grenzach und Zell, prüfte die Farben mit seinem mobilen Labor, korrigierte, brachte Anregungen für verbesserte

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