Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
Vom Netzwerk:
seiner Unterwäsche. Danach holte er Willy ab, hieß ihn seinen besten Anzug anziehen und lud ihn zu einem feudalen Nachtessen im Hotel „Drei König“ ein. Breiter gehörte ab heute dazu und Willy sollte auch dazugehören.
    Breiter und Charlotte lagen auf einer Decke, beide auf ihre Ellenbogen gestützt und schauten gegen die Challhöhe. Die Sonne war am Verschwinden, irgendwo zwischen der Franche-Comté und den Rebbergen von Nuits-St.-Georges.
    Breiter hatte sich im feinsten Delikatessen-Geschäft der Stadt einen exquisiten Picknickkorb zusammenstellen lassen – Champagne, Salzgebäck, Foie gras, frisches Weißbrot und kleine Schoko-Baisers.
    Charlotte trug einen knöchellangen Rock aus hellbeiger Seide, eine weiße Seidenbluse mit bernsteinfarbenen Knöpfen und ein dunkelblaues Seidenfoulard. Sie war aufgekratzt, lästerte vergnügt über vorbeiziehende Wandergruppen, Väter, die ihren Kindern befahlen, Schritt zu halten, Mütter, die neidisch zum Picknickkorb schielten und augenblicklich den Gedanken gebaren, dass es ganz und gar nicht schicklich sei, Champagner in aller Öffentlichkeit und auf geweihter Erde zu trinken. Meist beschleunigte die Frau dann, schloss zu Mann und Kindern auf und berichtete, was sie gesehen habe und ob er es auch gesehen habe und er sei wohl ihrer Meinung; und dies an einem heiligen Sonntag. Worauf der Mann heftig nickte, sich wieder an die Kinder wandte und die Frau ein letztes Mal zurückschaute und demonstrativ den Kopf schüttelte.
    Charlotte amüsierte sich über die Sonntagsspaziergänger, erzählte Breiter von dieser stockkatholischen Enklave, die zum tiefschwarzen Kanton Solothurn gehörte, der es aber per Volksabstimmung fertig gebracht hatte, die Mönche, die das Marienheiligtum und den Pilgerstrom betreuten, zu enteignen und fortzujagen. „Aber“, sagte Charlotte, „irgendwann werden sie sie wieder zurückholen, wenn die Pilgerei gar nichts mehr abwirft und der Unterhalt der Gebäude zu teuer wird. Wie heißt es so schön: Wo du nicht bist, Herr Jesus Christ“, hob die Hand und rieb Daumen an Zeigefinger.
    Breiter lachte, fasste sie um die Hüfte, zog sie zu sich und küsste sie.
    „Zeig nochmal, bevor wir sie vergraben.“
    „So, Madame will Gold sehen. Madame hat doch viel mehr als das. Madame kann doch einfach auf die Bank gehen und eigenes Gold anschauen.“
    „Hör mit dem Madame auf, bitte.“
    „Aber Madame, das Gold ist eh im Wagen. War doch nur ein Scherz.“
    „Ein schlechter. Also hör auf.“
    „Beleidigt?“
    „Nicht beleidigt, viel schlimmer, nicht ernst genommen. Du nimmst mich, uns, nicht ernst, wenn du so redest. Du reißt Gräben auf, wo keine sein sollten und wo von meiner Seite auch keine sind.“
    „Ich reiße keine Gräben auf. Ja, ich habe dich hochgenommen, das ist alles.“ Breiter versuchte sie zu küssen, doch sie wandte den Kopf ab.
    „Jacques, ich bin jetzt glücklich mit dir. Jetzt, einfach jetzt.“
    „Und nachher?“
    „Das kommt aus dem Jetzt. Also lass das bleiben. Wir sind gleich, obwohl du halb sitzend schläfst und ich liegend, du auf einem gestampften Küchenboden zur Welt kamst und ich auf einer bestickten Leinendecke. Begreifst du das nicht?“
    „Begreifen schon …“
    „Aber: Glauben nicht, das wolltest du doch sagen?“
    Breiter schwieg. Es war sein sehnlichster Wunsch, mit Charlotte zusammenzubleiben, ja, wenn er nur genügend Geld hätte, er würde ein Haus für sie bauen, konnte sich sogar Kinder vorstellen, würde einen eigenen chemischen Betrieb aufbauen, spezialisiert auf vorgemischte Farben, exakt abgestimmt auf die Eigenschaften verschiedener Färbeverfahren wie Kammzugapparate, Apparate mit Kreuzspulenzylindern oder Stranggarnhängeausrichtungen. So dass Farben entstehen, die die Welt noch nie gesehen hat und auf die die Modewelt schon lange wartet. Farben, die Charlotte mit den bezauberndsten Kleidern als Erste tragen würde. An ihrem Zauber müssten sich alle messen, die Filmstars und Mannequins, die Damen der besseren Gesellschaft wie die hübschen Mädchen der Straßen. Ja, wenn die Zeit reif wäre, würde ihm de Mijouter vielleicht sogar helfen, so quasi als außerordentliche Provision, wenn Breiter genug Umsatz gemacht hätte. Dann würde er Charlotte sicher freigeben – Geschäft ist Geschäft.
    Aber jetzt? Er war noch nirgends. Gut, er war viel weiter als viele Andere, aber das alles reichte noch lange nicht für Charlotte de Mijouter. Und so konnte er auch nichts glauben.
    „Ich muss

Weitere Kostenlose Bücher