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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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arbeiten, um zu glauben.“
    „Wie? Sag das noch einmal.“
    „Ich muss arbeiten, um zu glauben. Sonst geht es nicht.“
    „Was geht nicht?“
    „Das mit uns. Wir.“
    Charlotte setzte sich auf, nahm eine Zigarette aus dem offen herumliegenden Etui, steckte sie an, umschlang mit beiden Armen ihre Beine. Nach einer Weile sagte sie leise: „So siehst du das also.“
    Breiter setzte sich auch auf, nahm ihr die Zigarette aus der Hand, gab sie ihr zurück und fragte: „Was meinst du mit so?“
    „Dass du denkst, du könntest mich auslösen, wenn du genügend Geld hast, stimmt’s?“
    „Nun …“
    „Wie Gold gegen Bares, wie eine Fabrik, die die Hand wechselt? Wie ein Stück Vieh auf dem Toggenburger Bauernmarkt, stimmt’s?“
    Sie sprang auf, pflanzte sich vor ihm auf und schrie ihm ins Gesicht: „Stimmt’s?“
    Breiter wusste nicht, was er sagen sollte, was tun, ob er lachen oder weinen, sitzen bleiben oder aufstehen, zurückschreien – und wenn, was? – oder, weil er eh einen unüberwindbaren Kloß im Hals hatte, den Kopf schütteln oder nicken sollte. Er entschied sich für Letzteres, was zur Folge hatte, dass Charlotte sich sofort umdrehte und wutentbrannt zur Kapelle, die Jesus’ Großmutter geweiht war, schritt, sich auf die bleiche, abblätternde Bank setzte, den Kopf in die Hände gestützt, den Rauch der Zigarette mit heftigen Stößen in den leichten Westwind blasend.
    Breiter blieb alleine auf der Decke zurück. Was sollte er jetzt tun? Er hatte noch nie Streit mit einer Frau, die ihm etwas bedeutete, gehabt. Und streiten gehörte definitiv nicht zu Rosies Lektionen. Also erinnerte er sich an Streitereien, Szenen und halbe Opern im Grand Hotel und an Vittorios Worte: „Mach bei Frauen nie das, was sie erwarten. Mach das Abnormale.“
    Doch was in dieser Situation das Abnormale wäre, das wusste er auch nicht, hatte er doch nicht mal einen blassen Schimmer davon, was Charlotte jetzt erwartete. Standhaft bleiben, sich unterwerfen oder einfach Blumen?
    Blumen. Vor ihm ragte ein Büschel dottergelber Pusteblumen aus dem Gras, er stand auf, knickte sie ab, worauf ihm die weiße Milch die Hand hinunterlief, büschelte sie, sah noch Wiesenmargeriten, gab sie dazu, immer Löwenzahn, Margerite, Löwenzahn, Margerite, bis er einen schönen weiß-gelben Strauß zusammen hatte, schnappte die Flasche Champagner sowie die beiden Gläser und machte sich auf seinen persönlichen Canossagang zur St. Anna-Kapelle auf.
    Charlotte nahm keine Notiz von Breiters Tun. Und als er vor ihr stand, in einer Hand die Flasche und den Blumenstrauß und in der anderen die Gläser, sagte sie trocken: „So, jetzt bin ich aber mal gespannt.“
    „Darf ich mich hinsetzen?“
    Charlotte nickte.
    „Schau, ich habe nur für uns gedacht. Ich denke für zwei, jetzt. Ich suche einfach einen Weg, wie ich mit dir zusammenleben könnte. Und der geht über Arbeit.“
    „So. Und dass ich mein Schicksal auch selbst in die Hand nehmen könnte, kommt dir nicht in den Sinn.“
    „Ja siehst du einen anderen Weg?“
    „Er wird sich weisen. Wir sind jetzt, einfach jetzt. Kannst du das oder willst du das nicht verstehen?“
    „Mmmh …“
    „Schau, es ist ja lieb von dir an uns beide zu denken, dir eine Zukunft auszumalen. Eine Zukunft, die ich mir – vielleicht – mit dir auch vorstellen könnte. Aber es ist jetzt nicht die Zeit weiter zu denken, es ist die Zeit zu genießen, hier, diese Momente, kleine Augenblicke des Glücks. Warum sind wir hier? Um das Gold eines Menschen zu vergraben, der keine Zukunft mehr in seinem Land hat. Warum Breiter, warum? Weil er Jude ist, obwohl er mit dem Judentum außer ein paar Kindheitsgewohnheiten nichts am Hut hat. Ich bin Halbjüdin. Und ob in diesem Land der Wahnsinn auch anfängt, wissen weder du noch ich. Und darum ist das Jetzt wichtig – dieses Augenzwinkern der Freiheit. Verstanden, Soldat?“
    Breiter musste lachen. „Verstanden, Frau Leutnant.“ Er nahm die Gläser, gab ihr eines, schenkte ein und stieß mit ihr an: „Auf das Augenzwinkern der Freiheit.“
    „Ja, auf uns im Jetzt“, erwiderte sie.
    Sie tranken jeder einen Schluck.
    „Kannst du das?“
    „Mmmh“, murmelte Breiter, „ich werde es wohl lernen müssen.“
    „Du kannst das. Du hast schon so viel in deinem Leben gelernt. Ich wäre froh, ich könnte das von meinem behaupten.“
    „Ha, da muss ich aber lachen.“
    „Lach nicht. Schau, was du aus dir gemacht hast. Du kannst stolz darauf sein. Ich wurde quasi so

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