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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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Stresemann war auszumachen, und zwei steife Zylinder wurden auf die Hutablage gelegt. Es waren aber auch zeitgemäß gekleidete Männer darunter, in Flanellanzügen oder mit Sakkos aus englischem Tweed. Die Tochter des Hauses nahm die Bestellungen – der Ambassadorenteller war auch an diesem Tisch hoch im Kurs – jeweils mit einem angedeuteten Knicks entgegen und auf sie folgte die Wirtin und gab eine Weinempfehlung ab.
    „Nichts da, heute wird gefeiert, der Georges wird sechzig, da gibt’s keinen Seeländer. Heute gibt’s Nuits-St.-Georges, ist ja logisch, am sechzigsten von Georges!“ Die Runde stimmte raunend zu.
    Der Redner bemerkte Breiter, warf einen Blick auf die Flasche und rief quer über den Tisch: „Sie verstehen aber schon mit jungen Jahren etwas vom Wein oder kennen Sie Georges und trinken auf ihn?“
    „Nein, ich kenne den ehrenwerten Herrn Georges nicht …“
    Oben am Tisch stand ein Mann mit einem mächtigen Schnurrbart auf und sagte: „Georges Schwaller, es ist mir eine Ehre, Herr …“
    „Breiter, Jacques Breiter.“
    „… Herr Breiter, wenn Sie mit einem so edlen Tropfen auf mich trinken.“
    Breiter erhob sich. „Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, Herr Schwaller, Ihnen nur das Allerbeste für alles Weitere. Auf Ihr Wohl!“
    „Auf Georges Wohl!“, stimmte der Wortführer ein, die Herren hoben ebenfalls das Glas, blickten zuerst alle auf Georges und dann Richtung Breiter und nickten ihm zu.
    „Herr Breiter, seien Sie mein Gast, setzen Sie sich doch bitte zu uns.“
    „Danke, aber nur unter einer Bedingung.“
    „Und die wäre?“
    „Wenn ich meinen Nuits-St.-Georges beisteuern darf.“
    „Gewährt! Bethli, decke unseren Gast bitte um.“
    Georges wies sie an, rechts von sich aufzudecken. Die anderen Herrschaften rückten ein wenig zusammen und Breiter fand sich am Tisch von Solothurn wieder.
    „Sie sind aber nicht von hier, Herr Breiter?“, fragte der Wortführer.
    „Das ist wohl nicht zu überhören, Herr …“
    „Kuby, Werner Kuby, entschuldigen Sie.“
    „Nein, ist es nicht“, mischte sich Georges ein. „Also, woher kommen Sie?“
    „Ursprünglich aus St. Gallen, lebte eine Zeit lang in St. Moritz und nachher hauptsächlich in Basel. Die letzten zwei Jahre habe ich in Deutschland gearbeitet.“
    „Als was?“
    „Als Handelsvertreter. Textilfarben. Zuerst Gugy, dann von den IG Farben abgeworben.“
    „Tüchtig, tüchtig“, nickte Kuby mit dem Kopf.
    „Sonst säße er auch nicht hier“, lachte Georges.
    „Haller, Paul Haller, entschuldigen Sie, Herr Breiter, darf ich Sie fragen, wie es ist, da oben in Deutschland.“
    „Unser Stadtammann“, warf Kuby ein, „immer besorgt um das Wohl unserer Stadt.“
    „Mit Recht“, sagte Breiter, zog die Schultern ein wenig hoch, schaute kurz nach links und rechts und fuhr fort, „ich glaube, da braut sich was zusammen. Ich bekam das Gefühl, als würde den Menschen dort angeordnet, böse zu sein. Zu allem, was nicht ist wie sie. Oder wie es sein müsste. So werden sie zu denken angewiesen. Wissen Sie, was ich meine?“
    „Ja, ja, ich kann es mir vorstellen“, antwortete Haller. „Aber viel erreicht hat er schon, der Hitler. Die Arbeitslosigkeit ist praktisch weg, der Versailler Vertrag mehr als kompensiert. Das ist schon eine Leistung.“
    „Ja, aber auf wessen Kosten?“, fragte Georges.
    „Auf Kosten des Gesindels“, warf ein hochgewachsener, älterer Mann am Ende des Tisches ein, „von Aecht, Franz von Aecht.“
    „Welches Gesindel?“ Georges war bereits entnervt.
    „Verbrecher, Zigeuner, Juden – Gesindel halt. Wäre hier auch mal an der Zeit aufzuräumen, Stadtammann Haller.“
    „Meine Herren, genug der Politik, Georges hat Geburtstag, wir haben einen Gast, entschuldigen Sie bitte, Herr Breiter, wir wollen feiern, es gemütlich und lustig haben. Zum Wohl, meine Herren.“
    „Zum Wohl“, raunte die Runde.
    Das Essen wurde im rechten Moment aufgetragen, so dass die ersten Bissen der Entenleber zwangsläufig zu anderen Gesprächsthemen führten. Was Breiter nur allzu recht war.
    Das Geburtstagskind wandte sich an ihn: „Und was führt Sie nach Solothurn?“
    „Die Solothurner Torte.“
    „Der Kuchen?“
    „Entschuldigen Sie, Sie sagen ja Kuchen.“
    „Und wegen diesem süßen Zeug sind Sie hergekommen?“
    „Ja, und ich beabsichtige auch zu bleiben. Mir gefällt’s hier.“
    „Wegen dem Kuchen?“ Schwaller schüttelte den Kopf.
    „Sagen wir es so: Ich habe verschiedene Möglichkeiten,

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