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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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sind.“
    „Ich würde einfach bleiben.“
    „Und?“
    „Vergiss es, die kommen nicht bis hierher.“
    „Gut. Nehmen wir mal an, sie kämen doch. Wie weiter? Was ist mit den Geschäften?“
    „Es würde wohl alles ein wenig schwieriger.“
    „Es würde gar nichts mehr gehen, Yves.“
    „Das würde ihnen ja auch nichts helfen.“
    „Es wäre ihnen vielleicht egal.“
    „Aber das sind doch nicht alles Unmenschen.“
    „Täusch dich nicht.“
    „Komm, die trinken auch, die leben auch gerne, irgendwann ist doch alles mal vorbei.“
    „Ja, wenn nichts mehr von ihnen übrig bleibt.“
    „Du bist dir ja da wirklich ganz sicher.“
    „Ja, Yves, ich war dort im Lager. Da war nichts Menschliches mehr. Ihr Vernichtungswille wird weit reichen. Es wird viel schlimmer als das letzte Mal.“
    „Du warst im Lager?“
    „Ja. Aber überleg du dir jetzt lieber, was du machen willst.“
    „Ich würde nicht davonrennen. So bin ich nicht.“
    „Und dann?“
    „Ich kann Deutsch. Vielleicht brauchen sie Übersetzer.“
    „Und das Geschäft?“
    „Ja gut. Schmuggel? Vielleicht. Aber dann wohl eher von dir zu mir.“
    „Wie bleiben wir in Verbindung, wenn alles zu ist?“
    „Kennst du Les Sommêtres bei Noirmont, Jacques?“
    „Ja, ungefähr.“
    „Unterhalb Les Sommêtres gibt es einen Weg in den Wald und an den Doubs.“
    „Unpassierbar für Automobile?“
    „Keine Chance.“
    „Und wo kommt der Weg an den Fluss?“
    „Das kommt drauf an, wie du gehst. Auf alle Fälle macht der Doubs dort eine Biegung nach rechts. Also wenn er gerade geht, bist du zu weit unten, wenn er eine leichte Biegung nach links macht, zu weit oben.“
    „Und wohl alles steil und unwegsam?“
    „Nichts für rahmengenähte Halbschuhe“, lachte Yves.
    „Aber wir können doch nicht immer da runterstiefeln?“
    „Hmm, ja.“
    „Habt ihr in der Gemeinde ein Funkgerät?“
    „Einen Telegrafen haben wir im Postbüro. Hab das auch schon gemacht.“
    „Nein, Funk.“
    „Weiß nicht?“
    „Kannst du zwei Geräte besorgen? Reichweite etwa zehn Kilometer?“
    „Reicht das denn? Zu Fuß sind’s fast fünfzehn Kilometer.“
    „Ja, aber in der Luft sind’s keine zehn. Das Signal geht ja nicht rauf und runter und macht keine Überschläge. Also kannst du zwei besorgen?“
    „Ja sicher.“
    „Gut.“
    „Weißt du, wie das geht?“
    „Ich habe mal Radios verkauft und musste auch ein paar Geräte ausliefern. Wir müssen uns auf einer bestimmten Frequenz finden. Das ist, glaube ich, alles. Und du?“
    „Werde mich mal beim Jungen des Bürgermeisters schlau machen. Der bedient den Telegrafen.“
    „Gut.“
    „Und dann?“
    „Schau, dass du Funkgeräte mit Bedienungsanleitungen findest.“
    „Wohl auf Deutsch, Monsieur S’Elagier?“
    „Ja, am besten von der Wehrmacht. Das wäre ein Ding.“
    „Und dann?“
    „Wir brauchen einen Codesatz und eine Zeit.“
    „Juliette a cinq vaches.“
    „Und wann?“
    „Halb neun, abends, dann essen alle, eine Viertelstunde. Bis wir uns haben.“
    „Gut.“
    „Und dann?“
    „Dann werden wir sehen. Yves, wir sind doch gut genug, dass wir da durchkommen, oder?“
    „Aber sicher.“
    „Yves, komm, wir pissen zusammen über die Felsen hinab.“
    Am 17. Juni 1940 standen die Panzertruppen von Guderian in Pontarlier, etwa siebzig Kilometer südwestlich von Les Chenevières, knapp zehn Kilometer Luftlinie von der Schweizer Grenze entfernt. Am 25. Juni 1940 war der Waffenstillstandsvertrag unterschrieben, Frankreich hatte faktisch kapituliert.
    Yves war einfach in der Mairie von Charmauvillers sitzen geblieben und wartete auf den ersten Wehrmachtssoldaten. Als dieser kam, ein junger Leutnant, fragte er Yves in krudem Französisch, ob er der Bürgermeister sei? Yves verneinte. Ja was er denn hier tue? Worauf Yves auf Deutsch antwortete, was denn der Herr Leutnant hier wohl tue?
    Der Leutnant musste schmunzeln und antwortete, „Euch unter die Fittiche nehmen“. Aber mehr wusste er auch nicht zu sagen, da er nur den Befehl hatte, Charmauvillers zu besetzen und auf weitere Order oder Ablösung zu warten. So standen sie sich in diesen Augenblicken ohne unmittelbare Zukunft ratlos gegenüber, bis der Leutnant das Befehlsloch mit den Fragen nach Kaffee und ob das Schulhaus eine genügend große Unterkunft für seine Staffel sei, füllte. Ach, und er möge den Bürgermeister herbestellen, sofort.
    Yves besorgte Kaffee, öffnete das Schulhaus und suchte vergeblich nach dem Bürgermeister. Der war mit der

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