Polarsturm
Deckung gewährt hatte. Sie stiegen den flacheren Hang hinauf und näherten sich einer steilen, vereisten Rinne, die sich quer durch die Anhöhe zog. Da sie sie für unpassierbar hielten, liefen sie weiter und suchten nach dem nächsten Einschnitt, über den sie weiter landeinwärts gelangen konnten. Gut eine halbe Meile waren sie parallel zum Strand schon vorgerückt, als eine weitere Bö die Küste entlangfegte.
Der Wind brannte auf ihrer Haut, und ihre Lungen fingen in der kalten Luft zu stechen an, sodass das Atmen immer schmerzhafter wurde. Aber keiner von beiden wurde langsamer. Dann ertönte wieder das metallische Rattern der Maschinenpistolen, und nur ein paar Meter hinter ihnen schlugen die Kugeln in den Hang ein.
Pitt warf einen kurzen Blick zurück und sah, dass der Wind den Nebel hinter ihnen völlig aufgelöst hatte. Zudem konnte er in der Ferne zwei Männer erkennen, die auf sie zukamen. Zak hatte seine Sicherheitsleute in drei Gruppen aufgeteilt, die in unterschiedlichen Richtungen zur Küste vorrückten, und das nach Westen geschickte Duo hatte die beiden flüchtenden Männer in einem kurzen, windstillen Moment entdeckt.
Aber Pitt sah ein Stück weiter oben an der Küste eine weitere Nebelbank, die auf sie zutrieb. Wenn sie den Schüssen noch eine weitere Minute entrinnen konnten, würde sie der aufziehende Dunst wieder verbergen.
»Die Typen stinken mir allmählich«, japste Giordino, als sie das Tempo anzogen.
»Mit etwas Glück ist der Eisbär der gleichen Meinung«, versetzte Pitt.
Ein weiterer Feuerstoß riss kurz hinter ihnen das Eis auf. Die MP-Schützen waren nicht schlecht, wenn man bedachte, dass sie im Laufen schossen, aber bislang war ihnen noch kein Glückstreffer gelungen. Pitt sprintete auf den Nebel zu und musterte den Höhenzug zu ihrer Linken. Unmittelbar vor ihnen war eine weitere Rinne, breiter als die erste. Sie war zwar voller Eis und Felsen, sah aber so aus, als könnten sie in ihr weiter nach oben klettern.
»Wenn der Nebel über uns wegzieht, versuchen wir, diese Rinne hochzusteigen«, keuchte er.
Giordino nickte, während er sich auf die Nebelwand zuschleppte, die immer noch gut fünfzig Meter entfernt war. Ein weiterer Feuerstoß ließ das Eis aufspritzen, diesmal unmittelbar hinter ihren Füßen. Die Schützen waren offenbar kurz stehen geblieben, um besser zielen zu können.
»Ich glaube, wir schaffen es nicht«, grummelte Giordino.
Sie waren schon fast bei der Rinne, aber der Nebel war immer noch ein gutes Stück entfernt. Pitt bemerkte einen großen, mit Eis überzogenen Felsbrocken, der ein paar Meter vor ihnen aus der Rinne ragte. Keuchend und um Atem ringend deutete er darauf.
Dann hatten sich die Verfolger eingeschossen und ließen unmittelbar über ihren Köpfen Steinsplitter aus dem Hang aufstieben. Die beiden Männer duckten sich instinktiv, stürmten zu dem Fels und hechteten dahinter, als die Kugeln nur ein paar Zentimeter von ihnen entfernt den Boden aufrissen. Erschöpft und um Atem ringend lagen sie da und hatten am ganzen Körper Schmerzen. Immerhin wurde das Feuer eingestellt, da ihre Verfolger sie nicht mehr sehen konnten, und außerdem trieb die Nebelbank endlich über sie hinweg und entzog sie den Blicken der Schützen.
»Ich glaube, wir sollten hier hochklettern«, sagte Pitt und rappelte sich auf. Eine dunkle Masse vereister Felsen blockierte über ihnen die Rinne, doch am Rand zog sich ein offenbar passierbarer Einschnitt nach oben.
Giordino nickte, stand ebenfalls auf und trat einen Schritt auf den Hang zu. Er fing schon an zu klettern, dann bemerkte er aber, dass sich Pitt nicht von der Stelle rührte. Er drehte sich um und sah, dass sein Freund und Gefährte auf den Felsblock starrte und mit der Hand darüber strich.
»Das ist nicht der richtige Moment, um Felsen zu bewundern«, grummelte er.
Pitt ging zu der Stelle, wo der Brocken aus dem eisigen Hang ragte. »Das ist kein Fels«, sagte er leise. »Es ist ein Ruder.«
Giordino schaute Pitt an, als hätte er den Verstand verloren, dann folgte er seinem Blick nach oben. Ein Stück höher befand sich eine dunkle Felsmasse, die von einer dünnen Eisschicht überzogen war. Giordino betrachtete den Hang, dann sperrte er den Mund auf, als ihm klar wurde, dass es tatsächlich gar kein Felshaufen war.
Über ihnen lag der ins Eis eingesunkene schwarze Holzrumpf eines Segelschiffes aus dem 19. Jahrhundert.
80
Wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit lag die
Erebus
da. Sie war vor
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