Polarsturm
Haaren. Sie trug ein dunkel-lila Prada-Kostüm, das gut zu ihren violetten Augen passte.
Loren Smith, die engagierte Abgeordnete aus dem siebten Wahlkreis von Colorado, hatte aus ihrer Weiblichkeit nie einen Hehl gemacht, seit sie vor Jahren in die ehrwürdigen Hallen des Kongresses eingezogen war. Auch mit über vierzig Jahren wirkte sie noch immer schick und elegant, aber ihre Kollegen hatten schon vor langem die Erfahrung gemacht, dass Lorens Schönheit und Modebewusstsein ihrem Können und ihrer Intelligenz keinen Abbruch tat.
Anmutig schritt sie zur Mitte des Podiums und setzte sich neben einen molligen, weißhaarigen Kongressabgeordneten aus Georgia, der dem Ausschuss vorsaß.
»Hiermit eröffne ich diese Anhörung«, rief er mit starkem Südstaatenakzent. »Angesichts des öffentlichen Interesses an dem heutigen Thema verzichte ich auf eine Einführung und bitte unseren ersten Sprecher um seine Aussage.« Er drehte sich um und zwinkerte Loren kurz zu, worauf diese ihn anlächelte. Obwohl sie unterschiedlichen Fraktionen angehörten, waren sie langjährige Kollegen und Freunde – und damit eine Minderheit unter den Kongressmitgliedern, die normalerweise wenig von parteiübergreifender Zusammenarbeit zum Wohle des Landes hielten.
Anschließend berichtete eine Reihe von Industriekapitänen und führenden Akademikern über die jüngsten Fortschritte bei der Entwicklung alternativer Energieformen, bei denen kein Kohlendioxid anfiel. Die einzelnen Sprecher konnten zwar mit vielversprechenden Langzeitaussichten aufwarten, aber eine sofort zur Verfügung stehende technologische Lösung hatte auf Nachfragen von Seiten des Ausschusses hin keiner zu bieten.
»Die Massenherstellung von Wasserstoffzellen ist noch nicht ausgereift«, erklärte ein Fachmann. »Und selbst wenn jeder Mann und jede Frau in diesem Land ein Auto mit Brennstoffzelle fahren wollte, so stünde doch nicht genug Wasserstoff zur Verfügung um auch nur einen Bruchteil davon anzutreiben.«
»Wann sind wir denn so weit?«, fragte ein Abgeordneter aus Missouri.
»In etwa zehn Jahren«, erwiderte der Sachverständige. Auf der Galerie erhob sich leises Gemurmel. Zumal jeder Sprecher das Gleiche sagte. Zwar konnten immer bessere Technologien und Produkte auf den Markt gebracht werden, aber man kam doch nur langsam und schrittweise voran. Ein unmittelbar bevorstehender Durchbruch jedoch, der den Anforderungen des Präsidenten entsprach und das Land wie auch die Welt vor den wirtschaftlichen und klimatischen Schäden einer zunehmenden globalen Erwärmung bewahren konnte, war nicht in Sicht.
Der letzte Sprecher war ein kleiner Mann mit Brille, der das in einem bereits zu Maryland gehörenden Stadtrandgebiet angesiedelte Forschungslabor für Umweltschutz und neue Technologien an der GWU leitete. Loren beugte sich vor und lächelte, als sie Lisa Lane erkannte, die neben Dr. Horace Maxwell Platz nahm. Nach einer kurzen Einleitung des Labordirektors ging Loren zur Befragung über.
»Dr. Maxwell, Ihr Labor ist die Speerspitze bei der Erforschung alternativer Treibstoffe. Können Sie uns mitteilen, welche technologischen Fortschritte wir in nächster Zeit von Ihrer Arbeit erwarten dürfen?«
Maxwell nickte, bevor er mit krächzender Stimme das Wort ergriff. »Wir haben mehrere herausragende Forschungsprogramme auf dem Gebiet der Solarenergiegewinnung, bei Biotreibstoffen und der Wasserstoffsynthese laufen. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Uns steht leider kein Verfahren zur Verfügung, das in unmittelbarer Zukunft zur Serienreife entwickelt werden könnte und den strengen Anforderungen des Präsidenten entspräche.«
Loren bemerkte, dass sich Lisa bei Maxwells letztem Satz auf die Unterlippe biss. Anschließend waren die anderen Abgeordneten an der Reihe, die Maxwell noch eine Stunde lang ausfragten, aber mittlerweile war klar geworden, dass mit keiner nennenswerten Erkenntnis zu rechnen war. Der Präsident hatte sich weit vorgewagt, als er die klügsten Köpfe in Industrie und Forschung aufgefordert hatte, die Energiefrage zu lösen, aber er musste einen Rückschlag einstecken.
Als die Anhörung vertagt wurde und die Reporter hinausstürmten, um ihre Berichte durchzugeben, stieg Loren vom Podium, bedankte sich bei Dr. Maxwell und begrüßte dann Lisa.
»Hi, Zimmergenossin.« Sie lächelte und schloss ihre alte Mitbewohnerin aus dem College in die Arme. »Ich dachte, du wärst am Brookhaven National Laboratory in New York.«
»Nein, ich bin vor ein
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