Polarsturm
malerische Berglandschaft steuerte, bis er abbremsen musste, als er auf ein langsameres Wohnmobil auffuhr. Als sie zu einem geraden Straßenstück kamen, zog der Fahrer seinen Camper nach rechts und winkte Pitt vorbei. Pitt trat das Gaspedal durch und raste an dem Wohnmobil vorbei, das, wie er bemerkte, ein Nummernschild aus Colorado hatte.
Ein Stück weiter vorn kam eine Serpentine, in der die zweispurige Trasse hoch über einem tosenden Wildwasser aus der steilen Felswand gehauen worden war. Von der engen Kurve aus konnte Pitt das etwa eine Meile voraus liegende Straßenstück sehen, das weit unter ihm fast genau in Gegenrichtung verlief. Er warf einen kurzen Blick auf die weiße Limousine, die auf einem Parkplatz stand, das gleiche Fahrzeug, in das John Booth vor der Genossenschaft gestiegen war. Dann kam die nächste Serpentine, und Pitt verlor den Wagen wieder aus den Augen.
Nach der engen S-Kurve führte die Straße ein kurzes Stück geradeaus. Links von Pitt fiel die Felswand senkrecht zu dem Wildwasser ab, das gut hundert Meter unter ihm rauschte. Als Pitt auf der Geraden Gas gab, hörte er einen leisen Knall, so als ob irgendwo in der Ferne ein Silvesterböller hochgegangen wäre. Er blickte sich kurz um, ohne dass ihm etwas auffiel, dann ertönte ein tiefes Grollen. Er nahm aus dem Augenwinkel eine Bewegung war, blickte auf und sah über sich einen hausgroßen Felsblock, der aus der Wand gebrochen war und rund dreißig Meter vor ihm in Richtung Straße stürzte.
Pitt trat sofort das Bremspedal durch, bis es aufs Bodenblech stieß. Die Reifen jaulten und kreischten, aber dank des Antiblockiersystems geriet der Wagen nicht außer Kontrolle. Im gleichen Moment, als er darauf wartete, dass der Wagen zum Stehen kam, bemerkte er, dass ein ganzer Erdrutsch auf ihn niederging und hinter dem großen Brocken die halbe Bergwand abgebrochen war. Ihm wurde sofort klar, dass er nur
eine
Überlebenschance hatte.
Immerhin verhinderte er durch sein schnelles Bremsmanöver, dass er den gewaltigen Felsbrocken rammte, der kaum mehr als fünf Meter vor ihm auf den Asphalt schlug und in etliche kleinere Teile zersprang. Der Großteil davon durchbrach die Leitplanke und stürzte in den Fluss hinab. Ein paar große Brocken blieben auf der Straße liegen, wo sie bald von den abrutschenden Gesteinsmassen verschüttet werden sollten.
Pitts Auto schlitterte gegen einen dieser Brocken, ein abgeplattetes Granitstück, das ihn sofort abbremste, zwar Stoßstange und Kühlergrill eindrückte, aber weder tragende Teile noch den Antrieb beschädigte. Pitt spürte lediglich einen heftigen Schlag, doch der reichte, um den Airbag auszulösen, der sich vor seiner Brust aufblähte, als das Fahrzeug zurückgeschleudert wurde. Doch Pitt hatte schnell reagiert und war dem Airbag zuvorgekommen. Er hatte bereits den Rückwärtsgang des automatischen Getriebes eingelegt und das Gaspedal durchgetreten, als er ihn traf.
Qualmend drehten die Hinterreifen durch, ehe sie auf dem Asphalt griffen und der Wagen zurückschoss. Pitt umklammerte das Lenkrad und versuchte das Auto, das durch die jähe Rückwärtsfahrt ins Schlingern geriet, halbwegs in der Spur zu halten, während das Getriebe unter seinen Füßen kreischte, weil der Rückwärtsgang für eine Fahrt mit Vollgas und die dementsprechend hohen Drehzahlen nicht ausgelegt war. Pitt warf einen kurzen Blick nach oben und sah, dass die Fels- und Schuttmassen dicht über ihm waren und in breiter Front auch hinter ihm herunterdonnerten. Ihm war sofort klar, dass er ihnen nicht entrinnen konnte.
Dann brach die abrutschende Felswand wenige Meter vor ihm wie eine schiefergraue Flutwelle über die Straße herein. Einen Moment lang sah es so aus, als würde das immer schneller werdende Auto der Steinlawine entkommen, doch dann prallten etliche Felsbrocken hinter ihm auf die Straße, und er konnte sich nur noch festhalten, als der Wagen scheppernd und krachend in Schotter und Gesteinstrümmer geriet.
Das Auto schrappte über einen großen Brocken, der die Hinterachse und ein Rad abriss, das im Abgrund verschwand. Dann prallte eine zweite Gesteinslawine auf die Beifahrerseite, hob das Fahrzeug an und warf es um, sodass Pitt erst gegen die Sitzlehne und dann nach links geschleudert wurde, wo ihn prompt der Seitenairbag traf. Im nächsten Moment landete das Auto auf dem Dach, und er wurde ein weiteres Mal herumgerissen und prallte trotz des Airbags ans Seitenfenster. Er hatte das Gefühl, als ginge ein
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