Polgara die Zauberin
verschwenderisch aus – ja sogar grotesk übertrieben. Wir hatten eine kleine, einzigartige Gemeinschaft. Da Vater, Beldin und ich in der Welt umherreisten und stets für lange Zeitspannen abwesend waren, bot sich uns nur selten die Gelegenheit uns zu den Zwillingen im Tal zu gesellen und in den schützenden Mantel unserer Gemeinschaft zu hüllen. Wir sind manchmal völlig unterschiedlich – außer den Zwillingen natürlich –, aber wir sind alle Mitglieder einer kleinen, geschlossenen Gemeinschaft, die Erfahrungen und Denkmuster teilt, die der Rest der Welt nicht einmal ansatzweise zu begreifen vermag. Gegen Ende der Feier, als meine älteren Gefährten mehr als nur ein bißchen beschwipst waren und ich mit dem Aufräumen anfing, erklang Mutters Stimme sachte in den Windungen meines Gehirns. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Pol«, war alles, was sie sagte, aber es tat gut zu wissen, daß das letzte Mitglied unserer kleinen Gruppe ebenfalls anwesend war.
Der unsichere Waffenstillstand zwischen Drasnien und Gar og Nadrak zerbrach wenige Jahre später, als die Nadraks – vermutlich auf Ctuchiks Einflüsterungen hin – Überfälle über ihre gemeinsame Grenze zu unternehmen begannen. Ctuchik war ganz entschieden gegen jede Art von friedlichen Beziehungen zwischen Angarakanern und anderen Rassen. Handelsbeziehungen waren daher genau das, was er am meisten verabscheute, da Ideen bekanntlich dazu neigen, zusammen mit Waren ausgetauscht zu werden. Und neue Ideen waren ganz und gar nicht willkommen in der angarakanischen Gesellschaft.
Im Süden verzweifelten die Kaufherren von Tol Honeth zunehmend an der hartnäckigen Weigerung der Marager, die Aufnahme von Handelsbeziehungen jedweder Art auch nur in Erwägung zu ziehen. Die Marager benutzten kein Geld und hatten nicht die geringste Vorstellung davon, was es bedeutete. Sie besaßen allerdings Zugang zu nahezu unbegrenzten Mengen natürlicher Goldvorräte, da die Flußbetten von Maragor damit geradezu übersät waren. Gold ist hübsch, nehme ich an, aber wenn man es einmal unvoreingenommen betrachtet, hat es wenig tatsächlichen Nutzen. Man kann nicht einmal Kochtöpfe daraus herstellen, weil es so schnell schmilzt. Ich glaube, es war eine Quelle der Erheiterung für die Marager, als sie entdeckten, daß die Tolnedrer ihnen im Tausch für das, was sie für eine andere Art von Dreck hielten, beinah alles geben würden. Meiner Ansicht nach lag das eigentliche Problem in der Tatsache begründet, daß die Kaufleute von Tolnedra nichts besaßen, woran den Maragern so sehr lag, daß sie sich der Anstrengung unterzogen hätten, sich nach dem glitzernden Zeug zu bücken, das das Bett eines jeden Bachs in Maragor pflasterte.
Der Gedanke, daß all dieses Gold einfach dort lag und sie keine Möglichkeit hatten, sich seiner zu bemächtigen – außer vielleicht einen fairen Gegenwert dafür zu geben –, brachte die Tolnedrer an den Rand der Verzweiflung. Einige der Kinder Nedras entschieden sich dazu, das vertrackte Geschäft, die Marager zu beschwindeln, einfach aufzugeben und direkt an die Quelle vorzustoßen. Diese Expeditionen nach Maragor waren natürlich ein Fehler, größtenteils wegen einer religiösen Praxis der Marager: des rituellen Kannibalismus. Die Tolnedrer, die sich auf der Suche nach Gold über die Grenze stahlen, begegneten Maragern – die auf der Suche nach einem Mittagessen waren.
Nachdem einige wenige wohlhabende – aber immer noch habgierige – tolnedrische Kaufleute in maragische Kochtöpfe gewandert waren, begannen ihre Erben und Rechtsnachfolger den kaiserlichen Thron zu drängen, etwas zu unternehmen – irgend etwas –, damit keine ehrlichen Diebe mehr auf maragischen Tellern landeten. Unglücklicherweise saß Kaiser Ran Vordue noch nicht lange auf dem Thron, und schließlich gab er dem beharrlichen Drängen der Händlerkaste nach. So kam es, daß im Jahre 2115 tolnedrische Legionen über die Grenze nach Maragor vordrangen, mit keinem geringeren Ziel, als die gesamte maragische Rasse auszulöschen.
Mein Vater hatte die Marager immer gemocht, und er stand im Begriff, gen Süden zu eilen und ›Schritte zu unternehmen‹, als der Meister ihm ungewöhnlicherweise einen Besuch abstattete und ihm barsch befahl, seine Nase nicht in Dinge zu stecken, die ihn nichts angingen. Vaters Einspruch war lang und laut, aber Aldur blieb hart. »Dies muß geschehen, mein Sohn«, beschied er. »Es ist ein notwendiger Bestandteil der ABSICHT, die uns alle
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