Polgara die Zauberin
ich zu Mangaran und Asrana hinüber. »Ich reise weiter nach Vo Mimbre«, erklärte ich ihnen. »Versucht nicht, während meiner Abwesenheit eigenmächtig zu handeln. Beobachtet Oldorans Verwandte und jenes halbe Dutzend Höflinge, die der plötzliche Sturz dieses Burschen in dem tolnedrischen Mantel so aus der Fassung gebracht hat. Vermutlich schleichen hier noch andere Murgos herum, und ich glaube, sie werden sich ebenfalls als Tolnedrer ausgeben, wenn sie sich bei Hofe zeigen. Die beste Art, sich auf das angeblich Vorläufige der ganzen Geschichte zu stützen. Theoretisch haltet Ihr Oldoran ja nur den Thron warm, bis er wieder genesen ist, Mylord Mangaran. Behauptet, Ihr besäßet nicht die Berechtigung, Verträge abzuschließen oder mehr als formlose Absprachen zu treffen. Erzählt ihnen, sie müßten sich bis zur Genesung des Herzogs gedulden. Das sollte die Dinge für ein halbes Jahr in der Schwebe halten. Ctuchiks Plan besitzt feste Zeitvorgaben, denke ich, und eine erzwungene Verzögerung von sechs Monaten dürfte ihn empfindlich stören. Die Dagashi werden auf der Stelle treten müssen, ganz im Gegensatz zu mir. Ich werde in der Lage sein, die Vorgänge in Vo Mimbre anzuhalten, und sie können nichts dagegen unternehmen.«
»Habt Ihr ihr beigebracht, so verschlagen zu sein, Heiliger Belgarath?« wandte Mangaran sich an meinen Vater.
»Nein«, gab der zur Antwort. »Das scheint eine angeborene Begabung bei ihr zu sein. Trotzdem, ich bin furchtbar stolz auf sie.«
»War das tatsächlich ein Kompliment, Vater?« staunte ich. »Ich falle gleich in Ohnmacht!«
Asrana hatte meinen Vater mit einem forschenden Blick gemustert.
»Das ist ein schrecklicher Fehler, Liebes«, warnte ich sie. »Ihr solltet Euch nicht näher mit ihm einlassen, glaubt mir.«
»Ich kann auf mich selber aufpassen, Polly«, sagte sie, ohne den Blick von meinem Vater zu nehmen.
»Ach du liebe Güte!« seufzte ich. Dann warf ich die Hände hoch und brach nach Vo Mimbre auf.
K APITEL 15
Mein Vater schlug vor, ich solle in Vo Mandor haltmachen und auf meiner Reise in den Süden mit dem derzeitigen Baron sprechen. So ritten Lady und ich durch die weite, waldlose Ebene des mimbratischen Herzogtums. Selbst zu jener Zeit war das Land auf bedrückende Weise mit den Ruinen von Städten, Dörfern und einsamen Burgen übersät. Ich bin sicher, daß auch Asturien und Wacune voll von Erinnerungen an die Torheiten der Vergangenheit waren, aber die alten Wunden der beiden nördlichen Herzogtümer moderten unauffällig in den Wäldern vor sich hin. In Mimbre hingegen waren die grauen, steinernen Skelette der Burgen und Dörfer schmerzlich sichtbar und eine ständige Mahnung an die traurige Geschichte Arendiens. Manch einer, der durch die Ebenen von Mimbre zieht, findet die Ruinen pittoresk und romantisch, aber das ist für gewöhnlich lange nachdem der Rauch und Gestank verweht und der Regen das Blut weggespült hat.
Es bestand keine große Gefahr, daß Mandorallens Stammsitz sich jemals zur Schar der namenlosen Ruinen aus den Zeiten des Bürgerkriegs gesellen würde. Vo Mandor war wohl das, was unsere Vorfahren im Sinn gehabt haben müssen, als sie den Begriff ›unbezwingbar‹ prägten. Es thronte auf der Spitze einer felsigen Hügelkuppe, und im Verlauf seiner Entstehung hatten die Architekten die Flanken dieses Hügels weggeschlagen, um das notwendige Baumaterial zu erhalten. Das Ergebnis war eine Festung auf einer hochaufragenden Felsnadel mit senkrecht abfallenden, mehrere hundert Fuß hohen Felswänden, die jeder Eroberung spottete – gewiß, es wurden Versuche unternommen, Arender sind nun einmal, wie sie sind …
Während ich darüber nachdachte, kam ich zu dem Schluß, daß die Beschaffenheit ihres Stammsitzes eine bedeutende Rolle in der Herausbildung des Charakters dieser langen, ununterbrochenen Linie von Baronen von Vo Mandor gespielt haben muß. Wenn man mit der Überzeugung aufwächst, man sei unbezwingbar, wird man vermutlich ein wenig unbesonnen.
Die Stadt Vo Mandor umgab die mauerbewehrte Festung des Barons, und auch die Stadt wurde durch eine eigene Mauer geschützt. Man erreichte sie über einen langen, steilen Damm, der von vielen Zugbrücken unterbrochen wurde. Sie dienten dazu, im Belagerungsfall den Zugang zu sperren. Alles in allem war Vo Mandor einer der eher finsteren Flecken dieser Erde.
Der Blick von oben war indes wundervoll.
Mandorin, der damalige Baron, war ein kräftiger Witwer Mitte Vierzig. Er hatte mächtige
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