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Polgara die Zauberin

Polgara die Zauberin

Titel: Polgara die Zauberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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Als der Abend über das Tal hereinbrach, versprach ich, am nächsten Tag wiederzukommen, und meine lyrische Lerche begleitete mich bis zu Onkel Beldins Turm.
» Was hast du getrieben, Pol?« wollte Beldaran neugierig wissen, als ich die Treppe hinaufkam und mich wieder zu ihr gesellte. Wie üblich, wenn wir uns ungestört unterhielten, sprachen wir ›Zwilling‹.
»Ich habe ein paar Vögel getroffen«, gab ich zur Antwort.
»›Getroffen‹? Wie kann man denn Vögel treffen?«
»Man spricht sie an, Beldaran.«
»Und sie antworten dir dann?« Ihr Blick wirkte amüsiert.
»Ja«, sagte ich wegwerfend, »ja, in der Tat das tun sie.« Wenn sie schnippisch und überheblich sein wollte – nun gut das Spiel konnte ich auch spielen.
»Und worüber reden sie so?« Ihre Neugier gewann die Oberhand über ihren Ärger wegen meiner überheblichen Antwort.
»Oh, Körner und solche Dinge. Vögel interessieren sich enorm fürs Essen. Übers Fliegen reden sie auch. Sie können nicht begreifen, warum ich nicht fliegen kann. Dann reden sie noch über ihre Nester. Ein Vogel lebt nicht richtig in seinem Nest, mußt du wissen. Das ist nur ein Platz, um Eier zu legen und Junge großzuziehen.«
»Das hätte ich nicht gedacht«, räumte meine Schwester ein.
»Ich auch nicht – bis sie es mir gesagt haben. Ein Vogel braucht eigentlich kein Heim, nehme ich an. Außerdem haben sie Vorurteile.«
»Vorurteile?«
»Die eine Vogelart hält nicht viel von anderen Arten. Spatzen können Rotkehlchen nicht ausstehen, und Möwen mögen keine Enten.«
»Wie merkwürdig«, wunderte sich Beldaran.
»Worüber plappert ihr beide denn jetzt schon wieder?« fragte Onkel Beldin, während er von der Schriftrolle aufsah, die er studiert hatte.
»Vögel«, ließ ich ihn wissen.
Er murmelte etwas, was ich hier nicht wiederholen möchte, und begab sich wieder an das Studium besagter Schriftrolle.
»Warum nimmst du nicht ein Bad und wechselst die Kleider, Pol?« schlug Beldaran ein wenig spitz vor. »Du bist von oben bis unten voll mit Vogelkot.«
Ich zuckte die Achsel. »Das läßt sich abbürsten, sobald es getrocknet ist«
Sie verdrehte die Augen himmelwärts.
Am nächsten Morgen verließ ich den Turm früh und schlich zu dem kleinen Lagerhaus, wo die Zwillinge ihre Vorräte aufbewahrten. Die Zwillinge waren Alorner, und sie lieben ihr Bier. Eine der Hauptzutaten für Bier ist Weizen, und ich ging davon aus, daß sie ein oder zwei kleine Säckchen nicht vermissen würden. Ich öffnete den Behälter, wo sie ihren Weizen lagerten, und schaufelte eine ansehnliche Menge in zwei Segeltuchbeutel, die ich an einem Haken auf der Rückseite des Schuppens gefunden hatte. Dann machte ich mich, beladen mit den Früchten meines Mundraubs, wieder auf den Weg zum Baum.
»Wohin des Wegs, Schwester?« Es war wieder meine poetische Lerche. Dazu fällt mir ein, daß meine Vorliebe für die gewählte Förmlichkeit des wacitischen Arendisch sehr wohl ihren Ursprung in den Gesprächen mit jener Lerche haben mag.
»Ich gehe zurück zum Baum«, teilte ich ihr mit.
»Was befindet sich darinnen?« fragte sie, indem sie mit dem Schnabel auf die beiden Beutel zeigte.
»Ein Geschenk für meine neuen Freunde«, antwortete ich.
»Was ist ein Geschenk?«
»Das wirst du gleich sehen.«
Vögel sind manchmal so neugierig wie Katzen, und meine Lerche drängte mich den ganzen Weg zum Baum, ihr zu sagen, was denn in meinen Beuteln sei.
Meine Vögel waren hingerissen vor Begeisterung, als ich meine Beutel öffnete und den Weizen unter dem Baum verstreute, und sie kamen von Meilen im Umkreis zu dem Festmahl. Ich betrachtete sie liebevoll eine Weile, und dann kletterte ich in den Baum und streckte mich auf einem seiner gewaltigen Glieder aus, um meine neuen Freunde zu beobachten. Ich gewann den unbestimmten Eindruck, der Baum würde mein Tun gutheißen.
Ich dachte an jenem Morgen ziemlich lange darüber nach, war aber noch immer verblüfft, wie ich zu dieser ungewöhnlichen Gabe gekommen war.
»Das ist das Geschenk des Baums an dich, Polgara.« Es war die Stimme meiner Mutter, und auf einen Schlag wurde mir alles klar. Natürlich! Warum war ich nicht selbst darauf gekommen?
»Vermutlich, weil du nicht darauf geachtet hast«, merkte Mutter an.
In den folgenden Jahren wurde der Baum zu so etwas wie einem zweiten Heim für mich. Ich verbrachte meine Tage auf meinem Lieblingsausguck, meine knochigen Beine auf dem gewaltigen Ast ausgestreckt, den Rücken an den massiven Stamm gelehnt. Ich fütterte meine

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