Polgara die Zauberin
lag ich auch schon der Länge nach auf dem Erdboden zu seinen Füßen. Der alte Gauner hatte eine Translokation mit mir durchgeführt! »Schon besser«, urteilte er. »Jetzt können wir uns unterhalten.« Er hielt mir die Hand hin, und von seinen Fingern baumelte ein silbernes Medaillon an einer silbernen Kette. »Das ist für dich«, fuhr er fort.
Ein wenig widerwillig nahm ich es. »Was soll ich damit anfangen?« fragte ich ihn.
»Du sollst es tragen.«
»Warum?«
»Weil der Meister es gesagt hat. Wenn du Ihm widersprechen möchtest, bitte, niemand hält dich auf. Leg es einfach um, Pol, und hör mit dem Unsinn auf. Es ist Zeit, daß wir alle erwachsen werden.«
Ich sah mir das Amulett genauer an und entdeckte, daß es das Abbild einer Eule trug. Mir ging durch den Kopf, daß dies in gewisser Weise sehr passende Geschenk von Aldur und nicht von Vater kam. Zu jenem Zeitpunkt in meinem Leben erschien mir jede erdenkliche Art von Schmuck als unpassend, aber den Nutzen dieses Stücks erkannte ich sogleich. Es trug das Abbild einer Eule, meiner bevorzugten Verwandlungsform – und Mutters ebenso. Ein Teil der Schwierigkeit beim Gestaltwandeln besteht darin, das Bild richtig hinzubekommen, und Vater war offensichtlich ein ausgesprochen begabter Künstler. Die Eule war so lebensecht, daß sie aussah, als könne sie auf der Stelle davonfliegen. Dieses spezielle Schmuckstück würde sehr nützlich sein.
Als ich es anlegte, überflutete mich eine überaus seltsame Empfindung. Ich wäre lieber gestorben, als es zuzugeben, aber plötzlich fühlte ich mich vollständig, als habe vorher immer irgend etwas gefehlt.
»Und jetzt sind wir drei«, sagte Beldaran ausdruckslos.
»Erstaunlich«, antwortete ich ein wenig beißend. »Du kannst zählen.« Meine unerwartete Reaktion auf Vaters Geschenk hatte mich aus dem Gleichgewicht geworfen, und ich verspürte das dringende Bedürfnis, irgend jemandem weh zu tun – irgend jemandem.
»Sei nicht so gehässig«, belehrte mich Beldaran. »Ich weiß, daß du klüger bist als ich, Pol. Du mußt es mir nicht immer wieder unter die Nase reiben. Also, warum hörst du jetzt nicht mit all dem Unsinn auf und kommst wieder mit uns nach Hause, wo du hingehörst?«
Der Leitfaden meines gesamten Lebens bis zum damaligen Zeitpunkt war, mir von niemandem Vorschriften machen zu lassen. Beldaran befreite mich dort unter dem Baum von diesem Irrtum. Sie konnte mir Vorschriften machen – und sie tat es gelegentlich. Die unausgesprochene Drohung, sie könne mir ihre Liebe entziehen, machte mich sofort kirre.
Wir drei wanderten also zu Vaters Turm zurück. Er wirkte ein wenig erstaunt über meinen plötzlichen Sinneswandel, und ich glaube, er hat bis heute noch nicht ganz verstanden, welche Macht Beldaran über mich besaß.
Vielleicht geschah es, um seine Verwirrung zu verbergen, daß er mir ein paar übriggebliebene Reste des Frühstücks anbot. Ich entdeckte im Handumdrehen, daß der mächtigste Zauberer der Welt in Küchendingen entsetzlich unbedarft war. »Hast du das diesen armen, unschuldigen Nahrungsmitteln absichtlich angetan, Vater?« fragte ich ihn. »Das muß wohl so sein. Niemand kann etwas so Gräßliches per Zufall schaffen.«
»Wenn's dir nicht gefällt, Pol, da ist die Küche.«
» Oh, jetzt sehe ich, daß du recht hast, Vater«, erwiderte ich mit gespielter Überraschung. »Wie merkwürdig, daß mir das noch nicht aufgefallen war. Möglicherweise hat es etwas damit zu tun, daß die Arbeitsflächen vollkommen unter den Stapeln von Büchern und Schriftrollen verschwunden sind.«
Er zuckte die Schultern. »So habe ich beim Kochen etwas zu lesen.«
»Wußte ich's doch, irgend etwas muß dich abgelenkt haben. Du hättest das Essen nicht so verderben können, wenn du aufgepaßt hättest.« Dann legte ich meinen Unterarm auf die Arbeitsfläche und fegte all seine Bücher und Schriftrollen zu Boden. »Von jetzt an haben deine Spielzeuge nichts mehr in meiner Küche zu suchen, Vater. Beim nächsten Mal verbrenne ich sie.«
» Deine Küche?«
» Irgend jemand muß die Kocherei schließlich besorgen, und du bist so unfähig, daß man dich nicht in die Nähe eines Herdes lassen darf.«
Er war ohnehin zu sehr damit beschäftigt, seine kostbaren Bücher einzusammeln, um mir zu antworten.
Und das schuf mir meinen Platz in unserer eigenartigen kleinen Familie. Ich kochte ohnehin liebend gerne, so daß es mir nichts ausmachte, aber nach einer gewissen Zeit begann ich mich zu fragen, ob ich mich dadurch, daß
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