Polgara die Zauberin
Insel der Winde eine Zeit des Lernens und der Erfahrung sei, um mich auf zukünftige Entwicklungen vorzubereiten. Die Tatsache, daß ich die Tochter von ›Belgarath dem Zauberer‹ war, gewährleistete, daß ich gewisse Zeiträume meines Lebens an verschiedenen Königshöfen verbringen würde. Und für jene Zeiträume mußte ich all die zweifellos damit einhergehenden Tricks kennen. Das unreife, sich selbst erhöhende Geplapper meiner heranwachsenden Verehrer lehrte mich, belangloses Geplauder zu ertragen – niemand kann Belangloseres von sich geben als ein Jüngling auf der Pirsch. Dras und Algar, die den Kopf voll mit den Bürden der Staatsgeschäfte hatten, lehrten mich, daß ernsthaftere Dinge vor sich gingen, während all diese jungen Schmetterlinge vollends darin aufgingen, sich selbst zu bewundern.
Es war Onkel Beldin, der Vater auf das Offensichtliche hinwies, und dann sprach Vater ein Wörtchen mit König Cherek Bärenschulter und teilte ihm mit, daß ich keine Kandidatin für die Krone einer Königin von Drasnien oder Algarien sei. Es nahm meinem kleinen Spiel etwas von seiner Würze, aber zu meiner Zerstreuung hatte ich ja noch all diese radschlagenden jungen Pfauen um mich herum.
Eines Morgens dann, als ich durch den Korridor der Halle zustrebte, wo ich Hof zu halten pflegte, sprach Mutter ein ernstes Wort mit mir. »Hast du immer noch nicht genug davon, Pol?«
»Ich vertreibe mir lediglich die Zeit, Mutter«, ließ ich sie wissen.
»Spare dir den Versuch, mich mit lahmen Ausflüchten abzuspeisen, Polgara. Du hast es geschafft deine Vorliebe für den Schmutz zu überwinden. Jetzt ist es Zeit auch dieses Spiel hinter dir zu lassen.«
»Spielverderber.«
»Es reicht Polgara.«
Ich seufzte. »Oh, schon gut« Ich war wirklich nicht sehr dankbar für ihre Ratschläge.
Ich entschied jedoch, daß ich einen letzten Triumph brauchte. Ich hatte das hohlköpfige, bezaubernde Geschöpf gespielt – kaum mehr als ein Ding in den Augen meiner Verehrer. Wie Mutter mir bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgezeigt hatte, ist Verdinglichung etwas ziemlich Demütigendes. Da ich das ja nun hinter mir lassen würde, hielt ich es für angemessen, die Gegenpartei in dem Spiel wissen zu lassen, mit wem genau sie es zu tun hatte. Ich trödelte noch ein wenig in dem Korridor herum, um meine Optionen abzuwägen.
Das Einfachste wäre natürlich eine Kostprobe meines ›Talents‹ gewesen. Ich spielte mit der Vorstellung von Levitation. Ich war mir fast absolut sicher, daß selbst der prahlerische Taygon meine Argumente verstehen würde, wenn ich zehn Fuß über dem Boden in die Halle geschwebt käme, eingehüllt in Wolken der Herrlichkeit. Doch ich verwarf die Idee fast umgehend. Sie war einfach zu kindisch. Ich wollte ihnen begreiflich machen, daß ich über ihnen stand, und das wirklich.
Dann fiel mir etwas ein. Damals im Tal hatte ich oft in den Chor meiner Vögel eingestimmt, und dabei gewisse Kunstgriffe gelernt.
Mit gespielter Nachdenklichkeit betrat ich die Halle und begab mich zur gegenüberliegenden Seite, um kurz mit den Musikern zu sprechen. Der Lautenspieler mittleren Alters, der die kleine Gruppe anführte, zeigte sich von der Vorstellung angetan. Ich schätze, er war es leid, von dieser Herde von Pfauen mißachtet zu werden. Er trat an den vorderen Rand der kleinen Plattform, auf der die Musiker ihre unbeachtete Kunst ausübten, »Meine Herren und meine Damen«, verkündete er, »Lady Polgara hat sich gnädigerweise bereit erklärt, uns mit einem Lied zu erfreuen.«
Der Applaus war erfreulich, zeugte aber kaum von wahrer Bildung. Sie hatten mich noch nie singen gehört. Seicht wie meine Verehrer waren, wäre mir sogar Beifall gespendet worden, wenn ich gekrächzt hätte wie eine Krähe.
Natürlich krächzte ich nicht.
Mein Laute spielender Freund ließ eine Weise erklingen, die arendischen Ursprungs zu sein schien. Wie dem auch sei, sie war in Moll gehalten, und das schien zu der arendischen Neigung, das Leben als antike Tragödie zu betrachten, zu passen. Ich kannte den Liedtext nicht, so daß ich improvisieren mußte.
Ich liebe es zu singen – Durnik ist das vielleicht schon aufgefallen –, und ich begann in einem klaren, mädchenhaften Sopran. Als wir jedoch zur zweiten Strophe kamen, fügte ich auch noch die Altstimme hinzu. Zwei Stimmen gleichzeitig zu singen, ist eine sehr angenehme Sache, aber mein Auditorium war dafür noch nicht reif. Manche schnappten nach Luft wie Fische auf dem Trockenen, andere
Weitere Kostenlose Bücher