Polgara die Zauberin
uns den ganzen Vorgang eingehend erläutert. Aber woher sollte Arell das wissen?
»Tut es weh?« wollte eine von Beldarans blonden Gefährtinnen ängstlich wissen. Diese Frage kommt in Gesprächen unter jungen Frauen scheinbar immer auf.
Arell zuckte mit der Schulter. »Nicht sehr, wenn ihr locker bleibt. Verspannt euch nur nicht, und alles geht gut.«
Ich muß das Thema wohl nicht weiter ausführen, nicht wahr?
Obwohl unsere Konzentration auf das Geschäft des Kleidernähens für unablässige Beschäftigung unserer Finger sorgte und Arells medizinischsachliche Ausführungen über Intimes unsere Gedanken beschäftigte, war die aufregende Zeit des Hochzeitskleidnähens doch eine Art Lebewohl für meine Schwester und mich. Wir unterhielten uns fast ausnahmslos in ›Zwilling‹, und wir waren einander nur selten nicht nah. Das Quartier, das wir teilten, bestand aus einer hellen, sonnendurchfluteten Zimmerflucht mit Aussicht auf den Garten. Die Fenster in unseren Gemächern befanden sich nicht auf der zur See gewandten Seite der Zitadelle. Deshalb handelte es sich auch nicht um jene aus Gründen der Verteidigung schmalen, schießschartenähnlichen Schlitze, welche die dicke Mauer auf der anderen Seite aufwies. Beldaran und ich würden aller Voraussicht nach unsere Zeit nicht damit verbringen, Pfeile auf die Rosen im Garten abzufeuern, so daß unsere Fenster breit und ziemlich hoch waren. Wenn die gewöhnlich dichte Wolkendecke es zuließ und ein wenig aufriß, schien die Sonne sehr hell in die Räume, die mit Seideresten, Stoffballen und jenen unabdingbaren hölzernen Gestellen vollgestopft waren, auf die wir unsere vielen Gewänder hängten. Ohne diese Gestelle wäre jede von uns gezwungen gewesen, während der langwierigen Anproben tagelang unbeweglich herumstehen.
Die Mauern der Zitadelle sind gleichmäßig grau, innen wie außen, aber Grau ist eine bedrückende Farbe. Offensichtlich war diese Tatsache einer aufmerksamen rivanischen Dame aufgefallen, denn in den Gemächern, die für gewöhnlich von Damen benutzt wurden, wurde dieser Eindruck durch flauschige Wandbehänge in den verschiedensten Farbtönen gemildert Die Gobelins in unseren Gemächern waren abwechselnd tief blau und strahlend golden, und der rauhe Steinfußboden wurde hier und da durch goldene LammfellLäufer verschönert ein wahrer Segen für jene Frauen, die barfuß zu gehen pflegen, sobald sie nicht in der Öffentlichkeit sind. Damenschuhe mögen hübsch aussehen, aber sie sind nicht auf Bequemlichkeit ausgelegt.
An der Außenseite des Hauptraums in unserem Quartier befand sich ein Balkon, und an seinem äußeren Rand hatte er eine aus der Balustrade herausgemeißelte steinerne Sitzbank. Wenn das Wetter es erlaubte, verbrachten Beldaran und ich unsere meiste Zeit dort, eng beisammen sitzend.
Wir sagten nicht viel, denn Worte sind zwischen Zwillingen nicht wirklich nötig. Aber wir blieben in nahezu ständigem körperlichen Kontakt miteinander. Das ist eine der Eigentümlichkeiten bei Zwillingen. Wenn ihr Gelegenheit habt, ein Zwillingspärchen zu beobachten, werdet ihr vermutlich herausfinden, daß sie sich viel öfter berühren, als gewöhnliche Geschwister dies tun.
Eine tiefe Traurigkeit bestimmte unseren Umgang miteinander. Beldarans Heirat würde uns unwiederbringlich auseinanderreißen, und das war uns beiden bewußt. Wir waren immer eins gewesen. Nun mußten wir zwei sein, und ich glaube, wir haßten beide die Vorstellung von ›Zweiheit‹.
Als Beldarans Gewand zu Arells Zufriedenheit vollendet war, wandte unsere Mentorin ihre Aufmerksamkeit uns übrigen zu. Da ich die Brautschwester war, kam ich als nächste an die Reihe.
»Ausziehen!« befahl Arell mir.
»Was?« rief ich aus. Ich hatte nicht gedacht, daß man mich noch schockieren könnte. Ich hatte mich geirrt.
»Zieh deine Kleider aus, Polgara«, wiederholte sie mit fester Stimme. »Ich muß sehen, mit welchem Material ich arbeite.«
Ich wurde tatsächlich rot, tat aber, wie geheißen.
Sie begutachtete meinen halbnackten Körper mit geschürzten Lippen und abwägendem Blick. »Nicht übel«, urteilte sie schließlich.
Ich hätte mir schönere Komplimente vorstellen können.
»Du darfst dich glücklich schätzen, Polgara«, ließ sie mich zu guter Letzt wissen. »Die meisten Mädchen in deinem Alter sind ziemlich flachbrüstig. Ich denke, wir werden diesen Vorzug herausstreichen, um so von der Tatsache abzulenken, daß deine Hüften ein wenig stark sind.«
»Wie bitte?«
»Du bist dazu
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