Polifazios Vermächtnis (German Edition)
gesehen. Niemand weiß, wo sie ihr Versteck haben. Sie machen die Reise nach Gundal zu einem unberechenbaren Risiko. Komm, lass uns lieber weiter. Je eher wir den verbotenen Pfad erreichen, desto besser!“ antwortete Mugel.
Bis zum Abend herrschte bedrückendes Schweigen zwischen den beiden. Immer wieder sahen sie sich um, in der Angst, auch von den Räubern überfallen zu werden. Sie wurden jetzt vorsichtiger. An diesem Abend begannen sie damit, Nachtwachen einzuteilen. Die Gefahr, im Schlaf einfach so übertölpelt zu werden, erschien ihnen zu groß. Mugel hatte die zweite Nachtwache. Er saß neben dem Feuer und starrte links und rechts in die Dunkelheit des Sumpfes. Plötzlich sah er in der Ferne einige hell leuchtende Punkte, die immer näher an ihr Schlaflager herankamen. Die Punkte wurden kaum größer und sie strahlten in den verschiedensten Farben. Schnell weckte Mugel Himbi auf. Dieser war gerade erst eingeschlafen und nicht sehr erfreut, schon wieder geweckt zu werden. Bruno hingegen schlief seelenruhig weiter.
„Was ist denn los?“ grummelte Himbi verschlafen. „Sieh!“, flüsterte Mugel und zeigte auf die leuchtenden Punkte in der Dunkelheit.
Himbi war von der Farbenpracht, die er sah sogleich überwältigt.
„Das sind die berühmten Irrlichter des Sumpfes“, sagte Mugel, der diese Lichter schon Hunderte von Male gesehen hatte.
Für Himbi hingegen war es das erste Mal, dass er sie sah. Die Lichter boten ein imposantes Schauspiel. Mal flogen sie wie in Zeitlupe dahin, dann flogen sie zitternd und wild durcheinander, sodass dünne farbige Linien kleine Muster in die Nacht zeichneten. Die Irrlichter zogen Himbi von Anfang an in ihren Bann. Plötzlich konnte er an nichts anderes mehr denken, als diesen Lichtern einfach hinterher zu gehen. Einfach um zu sehen, wo sie ihren Ursprung hatten. Sogleich stand er auf, wurde aber sofort von Mugel wieder zurück auf den Boden gezogen.
„Hast die Dinger noch nie gesehen, wie? Aber wenn du jetzt versuchst, ihnen zu folgen, dann bist du verloren!“ erklärte ihm Mugel.
Himbi schüttelte kurz seinen Kopf, um sich von dem Bann der Lichter zu lösen.
„Sie ziehen mich in ihren Bann. Sie wollen, dass ich ihnen folge.“ sagte er leise.
„ Ja, das geht allen Reisenden so. Doch nur die wenigsten wissen ob der Gefahr, die von diesen kleinen Lebewesen ausgehen.“
„ Gefahr?! Ich kann mir nicht vorstellen, dass von etwas so Schönen eine Gefahr ausgehen soll!“ sagte Himbi protestierend.
„ So ist es aber. Irrlichter ernähren sich von der Dunkelheit. Sie sind magische Geschöpfe der Nacht und leben überall dort, wo Zwielicht und Dunkelheit vorherrschen. Wenn es Dunkel ist, dann kommen sie aus ihren Verstecken. Sie sind nicht böse, aber ihr Licht zieht die Leute in ihren Bann, sodass sie ihnen einfach folgen müssen. Doch die Irrlichter fürchten sich vor den Leuten und fliehen vor ihnen zurück in die Tiefen der Sümpfe, wo sie herkommen. Sie machen das nicht absichtlich, aber wenn du ihnen folgst, dann kommst du niemals wieder lebend aus den Sümpfen heraus!“ fuhr Mugel fort.
Himbi musste bei dem Gedanken daran, sich in den Tiefen der Sümpfe zu verlaufen, oder gar in einem zu versinken, schlucken.
„Anfangs wird es dir schwerfallen, ihrem Bann zu widerstehen, aber mit der Zeit wirst du dich daran gewöhnen“, fügte er noch hinzu.
Fasziniert und ängstlich zugleich sah Himbi dem Schauspiel der Lichter noch eine Weile zu. Nun kannte er die Gefahr, die von ihnen ausging. Aber dennoch musste er sich zusammenreißen, nicht doch hinter ihnen herzulaufen. Letzten Endes obsiegte die Müdigkeit über die pure Faszination und Himbi schlief wieder ein.
Der Sumpf verstummt.
Der dritte Tag verlief recht ereignislos. Immer wieder ertappten sich Mugel und Himbi, wie sie die Sumpflandschaft um sich herum ganz genau musterten. Der umgekippte Wagen, den sie am Vortag gefunden hatten, ließ sie vorsichtiger werden. Es verging kaum eine Minute, in der sie nicht in die Wälder des Sumpfes starrten.
„ Meinst du, die Räuber könnten sich noch in unserer Nähe aufhalten?“, fragte Himbi besorgt.
„ Schwer zu sagen. Möglich ist alles. Auf jeden Fall sollten wir wachsam sein, man kann nie wissen!“ antwortete Mugel.
Jetzt waren die beiden, besser gesagt die drei, schon fast zweieinhalb Tage unterwegs, doch alles um sie herum sah erschreckend gleich aus. Ohne den markierten Pfad hätte man glatt
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