Polifazios Vermächtnis (German Edition)
musste lächeln. Die Idee, sich davon zu stehlen, verwarf er genau in dem Augenblick, als er dieses Band zwischen ihm und Himbi deutlich erkannte. Nein, auch wenn er wollte. Dieses Mal war es anders. Er würde diesen Zwerg nicht hängen lassen.
„Hey, es ist nicht mehr weit bis zum Pfad. Und Hunger habe ich auch. Ich kann das gebratene Fleisch schon riechen!“ sagte Mugel aufmunternd.
„ Alles klar, dann weiter!“, antwortete Himbi und löste seinen Blick von dem Wild.
Es dauerte keine zwei Stunden mehr und sie erreichten eine Weggabelung. Ein wesentlich kleinerer und geschwungener Pfad trennte sich vom Weg nach Gundal in Richtung Osten ab. Hinein in einen immer dichter werdenden Teil des Waldes. Keine Frage, dies musste der Pfad sein. Drohend flankierten vier runde, steinerne Säulen den Weg. Runen uralten, zwergischen Ursprungs und Zeichen waren in ihnen eingemeißelt.
„ Was haben die bloß zu bedeuten?“, fragte Mugel, der diese Säulen zwar nicht zum ersten Mal sah, sich jedoch niemals näher mit ihnen beschäftigt hatte.
„ Ich habe keine Ahnung! Lesen kann ich die alten Runen nicht. Ich habe gehört, dass der erste Bergkönig Eliax diese Säulen hat errichten lassen. Er war es auch, der das Nutzungsverbot dieses Pfades ausgesprochen hatte. Eines weiß ich jedoch gewiss, ich habe Lust heraus zu finden, was es mit all diesen Dingen auf sich hat!“ sagte Himbi voller Tatendrang und marschierte los.
Mugel zögerte einen kleinen Moment. Jedoch wollte er Himbi in nichts nachstehen, und so überwand er seine anfängliche Angst und ging ihm sogleich hinterher. Der Wald um sie herum wurde immer dichter und der Sumpf hörte hier fast ganz auf. Die Luft wurde angenehm frisch und kühl, je weiter sie auf dem verbotenen Pfad gingen.
„Hier sieht es gar nicht so schrecklich aus!“ fiel Himbi auf, der sich diesen Teil der Kantharo – Ebene völlig anders vorgestellt hatte.
Nach einer weiteren Stunde des Marsches kamen sie an einer kleinen Ruine vorbei, die rechts vom Weg lag.
„Hier muss einmal eine Art Wachturm gestanden haben!“, vermutete Himbi, der sich die Ruinen genauer ansah.
Jedoch war nicht mehr viel übrig von dem einstigen Turm. Lediglich ein paar mannshohe, runde Mauern waren stehen geblieben. Dicke Flächen von Moos und Sträuchern überwucherten den Stein.
„ Das wäre doch eine geeignete Stelle für ein Nachtlager!“, sagte Himbi schließlich.
Mugel stimmte ihm zu. Es war jetzt fast fünf Uhr und die beiden bereiteten sich auf die Nacht vor. Mugel kochte etwas von dem Fleisch und Himbi besorgte wieder das nötige Brennholz für die Nacht. Bei ihren Arbeiten merkten sie, dass es immer kälter wurde im Wald. Aus der Ferne konnten sie die Brandung des Perlenmeeres hören. Doch das war auch das Einzige, was sie überhaupt hörten. Als Mugel mit dem Kochen fertig war, setzten sich die beiden vor das Feuer, lehnten sich an die mit Moos bewachsenen Wände der Ruine und ließen es sich schmecken. Zur Feier des Tages, den verbotenen Pfad überhaupt erreicht zu haben, gönnten sie sich eine Flasche von dem Wein, den sie bei dem Krämer gekauft hatten. Während sie tranken, zog langsam ein immer dichter werdender Nebel auf. Himbi merkte, wie Angst in Mugel aufkam. Der Nebel um sie herum wurde immer dichter, bis sie schließlich nur noch ihr Feuer und sich selbst sehen konnten.
„Das ist genauso wie damals, als ich alleine durch die Sümpfe gezogen bin“, flüsterte Mugel.
Ohne unnötig zu sprechen, saßen sie dort und starrten in den Nebel. Noch nie hatte Himbi einen derart dichten Nebel gesehen. Dieser schien alles und jeden zu umhüllen, und sogar Geräusche zu absorbieren. Denn selbst die Brandung des Meeres in der Ferne war nun nicht mehr zu hören. Er war froh, dass sie wenigstens ein Feuer hatten. Ohne dieses hätten sie wahrscheinlich gar nichts mehr sehen können.
„Nebel hin oder her, wir müssen jetzt schlafen und Nachtwachen einteilen“, sagte Himbi leise.
Mugel zog es vor als Erster zu schlafen, und zog sich seine Decke sogleich bis zu den Ohren. Himbi starrte beunruhigt in den Nebel. Gespenstisch umhüllte er alles in einem Umkreis von zwei Metern um das Feuer herum. Fast schien es so, als würde er einen Kampf mit den letzten verbliebenen Lichtstrahlen ausfechten. Himbi legte zwei neue Holzscheite in das Feuer. Dann lehnte er sich zurück und legte seinen Kopf auf seinen Rucksack. Seine Armbrust lag griffbereit neben ihm auf
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