Polifazios Vermächtnis (German Edition)
nahm die Armbrust wieder herunter und starrte auf den Totenbeschwörer. Er sah, wie dieser zusammenzuckte, und freute sich bereits, einen Treffer gelandet zu haben. Doch nach der ersten Schrecksekunde sah der Totenbeschwörer erleichtert an sich herunter. Dann drehte er sich um und betrachtete den Bolzen, der nun hinter ihm auf Kopfhöhe in der Wand steckte.
„So ein Mist! Du bist wirklich ein miserabler Schütze!“ schimpfte Mugel und sprang sofort auf die Füße.
Der Totenbeschwörer fing an, dämonisch zu lachen. Erst leise, dann immer lauter.
„Ihr lästigen Maden! Nun habt ihr genug gespielt. Jetzt ist es an der Zeit, zu ernten, was ihr gesät habt!“ lachte er und machte mit seinen Armen eine Bewegung, als wolle er etwas vom Boden anheben.
Plötzlich fing der Boden hinter Mugel und Himbi an zu zittern. Das Zittern entwickelte sich zunehmend in ein mächtiges Beben. Die beiden hatten große Not, nicht hinzufallen und mussten sich stark an den Statuen festhalten. Mit einem Male riss der Boden vor dem Eingang der Krypta auf. Aus einem Loch, das so groß wie der Eingang selbst war, schossen dicke knorrige Äste empor. Diese wanden sich umeinander und rekelten sich bis zur Decke des Einganges empor. Spitze Stacheln sprossen aus den Ästen.
„ Ein Dornenbusch! Aber wie …“ sagte Himbi geschockt.
Kreidebleich sahen sich die beiden an. Der Fluchtweg war versperrt. Es würde Stunden dauern, um diese knorrigen Äste zu zerschlagen. Sich einfach durch das Gewirr aus Dornen hindurch zu quetschen war ebenfalls unmöglich. Der Totenbeschwörer fing wieder an zu lachen, als er die Reaktion der Freunde sah.
„Jetzt spielen wir auf meine Art und Weise!“ zischte er den beiden zu.
Himbi und Mugel warteten wie angewurzelt auf die nächste Aktion ihres Gegners. Was sollten sie tun? Hier stehen bleiben und warten was passiert? Oder sollten sie auf den Totenbeschwörer losstürmen, um wenigstens zu versuchen ihn zu besiegen. Himbi guckte Mugel an. Dieser stand wie angewurzelt hinter der Statue und starrte den Totenbeschwörer an. Das war einfach zu viel für ihn. Erst diese schreckliche Begegnung in den Sümpfen, dann die Gefangenschaft und jetzt dies. Himbi richtete seinen Blick wieder auf den Totenbeschwörer. Dieser murmelte wieder irgendwelche seltsamen Dinge, die er nicht verstand. In diesem Moment wusste Himbi, dass dies ihr Ende sein würde. Doch wenn es schon zu Ende sein sollte, dann wollte er sich nicht kampflos in sein Schicksal ergeben. Mit dem Mut der Verzweiflung packte er seine Axt und rannte völlig überraschend schreiend auf seinen Gegner zu. Erschrocken blickte Mugel seinem Freund nach.
„Nein!“, schrie er.
Doch Himbi war bereits in der Mitte des Raumes angekommen. Aufgeschreckt von Himbis Geschrei verstummte der Totenbeschwörer. Himbi konnte nun genau in dessen leeren, pechschwarzen, riesigen Augen sehen. Dennoch ließ ihn dieser schreckliche Anblick nicht erschaudern. So schnell er konnte, preschte er auf den Mann zu. Dieser hob geistesgegenwärtig seine rechte Hand und stieß sie Himbi blitzschnell entgegen, so, als wolle er etwas von sich wegstoßen. Mit einem Male konnte Himbi eine mächtige Druckwelle aus Luft sehen, die auf ihn zugeschossen kam. Er erkannte zu spät, was geschah, und konnte nicht mehr ausweichen. Mit höllischer Wucht traf ihn die Druckwelle und schleuderte ihn mehrere Schritte weit zurück. Mugel sah, das Himbi, wie eine Feder vom Wind einfach hinweg geblasen wurde. Mit einem dumpfen Ton schlug Himbi auf den kalten, marmorierten Fußboden der Halle auf. Noch immer trieb ihn die Druckwelle vorwärts. Himbi schlitterte noch fast bis zu den Statuen zurück, bis er endlich zu liegen kam. Irritiert stützte er sich auf seine Arme und schüttelte seinen Kopf. Sein ganzer Körper schmerzte von der Wucht des Aufschlages. Doch gebrochen war auf den ersten Blick nichts. Mit weit aufgerissenen Augen sahen die beiden Freunde, wie der Totenbeschwörer endlich seine Worte beendete. Zunächst geschah nichts. Der Totenbeschwörer stand einfach nur da und grinste die beiden breit und mit niederträchtiger Vorfreude an. Nach einer kurzen Zeit begannen die vielen Sarkophage in der Krypta an zu wackeln. Himbi rutschte noch auf dem Po zurück zu Mugel. Dieser half seinem Freund sogleich wieder auf die Beine. Mit schleifenden Geräuschen schoben sich die Deckel langsam von den Sarkophagen. Schließlich fiel einer nach dem anderen laut auf den Boden.
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