Polifazios Vermächtnis (German Edition)
etwas Hoffnung in ihm auf, wenngleich ihm seine schrecklichen Erinnerungen immer noch stark zusetzten.
„Ich bin gleich bei dir Mugel! Halte durch!“ schrie Himbi.
Und Tatsächlich. Wenige Minuten später erreichte er das Podest, auf dem der immer noch sehr verstörte Mugel lag. Schnell ertastete Himbi seinen Freund und schloss ihn freudig in die Arme. Mugel war überglücklich, dass Himbi es bis zu ihm geschafft hatte. Er wusste nicht wie. Aber da gab es etwas, was er in diesem Moment stärker denn je wusste. Himbi war sein Freund, sein bester, um genau zu sein. Himbi hatte ihm nun zum zweiten Mal das Leben gerettet. Er konnte sich ohne Bedenken auf ihn verlassen, selbst, wenn die Dinge so aussichtslos erschienen wie in diesem Augenblick.
„Mugel, dir geht es gut! Ich hatte schon Angst, dir sei etwas Schreckliches zugestoßen!“ sagte Himbi, der ebenfalls überglücklich darüber war, seinen Freund gefunden und erreicht zu haben.
„ Nun, physisch bin ich wohl noch in Ordnung, aber die Erinnerungen an meine Kindheit haben mich wieder eingeholt und machen mich fertig!“, antwortete Mugel traurig.
„ Dann hast du plötzlich auch wieder die fürchterlichsten Erinnerungen in deinem Leben vor Augen?“, fragte Himbi.
„ Ja“
„ Los komm. Ich möchte keine Sekunde länger in diesem Saal bleiben. Er macht seinem Namen wirklich alle Ehre. Halt dich an meinen Schultern fest und bleib so dicht an mir dran wie möglich. Du musst mir vertrauen und darfst auf keinen Fall zögern!“ sagte Himbi und half seinem Freund wieder auf die Beine.
Mugel hatte weiche Knie, als er hinter Himbi herlief. Seine Angst wurde immer stärker und dennoch ließ ihn sein Vertrauen zu Himbi stumpf weiterlaufen. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, als sie endlich das Podest erreichten, auf dem sich Levicia befand. Diese traute sich selbst nicht mehr, als die beiden Freunde plötzlich neben ihr standen. Plötzlich wurde sie von solcher Dankbarkeit übermannt, dass sie ihre Gefährten freudig in die Arme schloss. Dicke Tränen rannen ihre Wangen herunter. Sie konnte sich diesen Gefühlsausbruch selber nicht erklären. Doch überraschenderweise war das Gefühl, das sie in diesem Moment empfand, wunderschön.
„Ihr habt mich tatsächlich gerettet. Ihr habt mich nicht hier zurückgelassen. Warum tut ihr das? Es gibt nichts, womit ich mich bei euch revanchieren könnte.“ fragte sie unter Tränen.
„ Deine Gesellschaft und Freundschaft ist uns Lohn genug. So etwas ist mehr wert als alle Reichtümer der Welt. Diese trösten dich nicht, wenn du alleine bist und sie beschützen dich auch nicht, wenn du in Gefahr bist!“ antwortete Himbi.
Levicia merkte sich diese Worte gut. Sie warfen alles über den Haufen, was sie bislang in ihrem Leben gelernt hatte. Es würde etwas Zeit kosten, ihr Leben neu zu ordnen. Doch nun erkannte sie, dass das Leben, das sie bis jetzt geführt hatte, wertlos war im Gegensatz zu den wenigen Wochen, die sie mit dem Zwerg, dem Troll und dem Esel Bruno verbracht hatte. Levicia war innerlich total zerwühlt und verwirrt. Doch trotz ihrer Verwirrung spürte sie, dass sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben sicher und geborgen fühlte. Ein Gefühl, von dem sie bislang geglaubt hatte, dass es nicht existieren würde.
„Ich möchte ja nicht drängen, aber langsam halte ich es hier drin nicht mehr aus!“, sagte Mugel nach einer Zeit.
„ Du hast recht. Los Levicia, halt du dich an Mugel fest und dann los!“ sagte Himbi und wartete bis Mugel sich wieder eng an seinen Rücken gepresst hatte, bevor er wieder langsam losging.
Dieses Mal mussten sie noch vorsichtiger gehen, denn nun traten sie zu dritt auf die einzelnen Fliesen. Zuversichtig folgte Himbi dem flirrenden Licht. Noch einmal durchquerten sie den gesamten Saal, bis sie endlich auf weichen Erdboden traten. In diesem Augenblick wurde es um sie herum wieder hell. Die Drei fanden sich am anderen Ende des Saales wieder. Hinter ihnen befanden sich noch immer die zahlreichen Fliesen. Vor ihnen öffnete sich eine ziemlich kleine Tür, im Gegensatz zu dem mächtigen, zweiflügligen Eingangsportal zum Saal. Endlich konnten die anderen beiden sehen, wie Himbi es geschafft hatte, den Saal zu durchqueren. Über dessen Kopf schwebte noch immer das leuchtende Irrlicht.
„ Das Irrlicht?!“, stammelte Mugel verwundert.
Schließlich hatte er nicht mitbekommen, dass Himbi es damals wieder freigelassen hatte, nachdem es genesen war.
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