Polifazios Vermächtnis (German Edition)
Levicia erkannte in diesem Augenblick, dass Himbis Hilfsbereitschaft ihnen das Leben gerettet hatte. Ihre Gefühle wirbelten noch mehr durcheinander. Zwar war sie damals nicht dabei gewesen, als sie das Irrlicht fanden, doch wusste sie genau, dass wenn es nach ihr gegangen wäre, sie das Irrlicht zurückgelassen hätten. Ganz so, wie sie es gelernt hatte. Und jetzt hatte Himbis edelmütige Tat ihnen das Leben gerettet. Levicia hatte eine Lektion gelernt, die sie von Kopf bis Fuß veränderte. Es war nicht Hass und Bosheit, die einem das Leben lebenswert machten, sondern Liebe und Hilfsbereitschaft. Himbi vernahm die Abschiedsworte des Irrlichtes und bedankte sich bei ihm in dessen wunderschöner Sprache. Dann flog das Licht in kreisenden Bahnen hoch in die Luft und stieß dann blitzschnell hoch zur Decke in der Mitte des Saales, von wo aus es gekommen war. Schon nach wenigen Sekunden war es nicht mehr zu sehen.
Dreizehn Dolche, ein Totenbeschwörer und eine zerbrochene Freundschaft
Heilfroh, es durch den Saal der Leiden geschafft zu haben, fielen sich die drei Freunde abermals in die Arme. Levicia rollten dicke Tränen über die Wangen und auch Mugel und Himbi konnten sich eine kleine Freudenträne nicht verkneifen. Nachdem die grauenhaften Dinge in diesem Saal überstanden waren, verstanden sie, warum es so wichtig war, dass die dreizehn Dolche nicht in die falschen Hände geraten sollten. Umso mehr spürten alle drei den starken Drang, diese Angelegenheit hier und jetzt endlich zu beenden. Nun brauchten sie nur noch die Dolche vom Altar nehmen und würden im nächsten Augenblick, dank des Portalsteines, wieder bei Delvariel sein. Dann würde sie die Dolche bewachen und alles wäre endlich überstanden.
„ Los kommt, wir haben es gleich geschafft!“, forderte Himbi seine Freunde auf.
Er öffnete entschlossen die kleine Tür, die die Gruppe direkt zu dem steinernen Altar führte, in denen die dreizehn Dolche steckten. Als die Drei die kleine Tür durchschritten hatten, verschwand diese sofort. Zurück blieb nichts als nackte Wand aus Fels und Stein. Und dort, einige Meter von der Stelle entfernt, in der sich gerade noch die Tür befunden hatte, stand der uralte Altar, auf dem noch immer der bleiche Schädel zu sehen war. Zu ihrer Überraschung befanden sie sich in einer kleinen, in sich geschlossenen Höhle. Der Gang, der anfangs direkt auf den Altar zugeführt hatte und in dem sie beinahe geröstet worden waren, war nicht mehr da. Oder war der Altar, den sie durch den Gang gesehen hatten, bloß eine Illusion? Sie wussten es nicht und es war ihnen auch egal. Sie hatten ihr Ziel erreicht. Nachdem sie den Altar eine Weile begeistert angesehen hatten, gingen sie schließlich darauf zu und zogen alle dreizehn Dolche aus dem Stein. Jeder der Dolche war unterschiedlich geformt und verziert. Einer war prächtiger als der andere. Doch eines hatten sie alle gemeinsam. Alle sahen sie unschätzbar wertvoll aus. Wieder kehrte dieses Funkeln in Mugels Augen zurück, als er einen der Dolche in seiner Hand drehte und wendete. Die Klingen der Dolche schimmerten alle in einer unterschiedlichen Farbe. Als sie die Dolche aus dem Altar gezogen hatten, tauchten diese die Höhle in ein schummriges Licht.
„Meint ihr, Zeliath Harizum schafft es durch diesen Saal?“, fragte Mugel nach einer Weile.
Levicia sah ihn ernst an.
„Harizum verkörpert alles, was sich in diesem Saal befindet. Er ist der Advokat des Bösen und steht mit den dunklen Mächten im Bunde. Ja, ich glaube fest dran, dass er es durch diesen Saal schafft. Dort drin gibt es nichts, das er fürchten muss!“ sagte sie mit dunkler und klarer Stimme.
Mugel und Himbi lief ein kalter Schauer über den Rücken. Nach allem, was sie mit Zeliath Harizum erlebt hatten, hatten sie keine andere Antwort erwartet. Doch insgeheim hofften sie natürlich, dass selbst Harizum an diesem Saal scheitern würde.
„Ein Grund mehr, um hier endlich zu verschwinden!“, sagte Himbi und wollte gerade den Portalstein aus seinem Mantel holen, als die Tür, durch die sie gekommen waren, plötzlich wieder in der Wand auftauchte.
Erschrocken richteten alle drei ihren Blick auf die Tür. Noch bevor einer von ihnen reagieren konnte, trat Zeliath Harizum durch sie hindurch. Verwundert und überrascht hielt er einen Moment inne und musterte die Gruppe.
„Langsam werdet ihr mit lästig!“ zischte er mit düsterer Stimme.
„ Ah, Levicia Schwarzenmoor!
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