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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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Geben Sie mir Zeit, dann finde ich schon jemanden für Sie. Am besten einen Linkshänder, der auch am Motorrad …»
    «Kein Linkshänder», unterbricht Sophie bestimmt. «Muss fahren links und schießen rechts. Linkshänder sind, wie sagt man … ungeschickt.»
    «Ich wüsste nicht …»
    «Sie sagen mir, wer ist Ihr Auftraggeber. Dann ich rufe an und einige mit ihm. Mein Mann Sergej sagt, man kann immer einigen.»
    «Der Name unseres Auftraggebers unterliegt natürlich der Geheimhaltung, Madame. Ganz abgesehen davon, dass er nicht darauf eingehen würde. Er beschäftigt unsere Leute schon seit Jahren und ist so zufrieden, dass er mittlerweile selbst zu unseren größten Aktionären zählt.»
    «Ich kaufe Aktien.» Sophie hat sich in ihrem Sessel aufgerichtet; ihre überschminkten Lippen beben. «Alle Aktien! Ich kaufe ganze Firma! Dann ich werfe Sie auf Straße, wenn Sie nicht verraten, wer ist Ihr Klient!»
    «Ich bitte Sie, Madame …»
    «Sie bitten? Ja, Sie werden bitten, wenn ich habe mit Sergej geredet. Ist zwar eifersüchtig, aber wenn ich sage, dass ist unser Geld nicht gut genug für ein gewisser Gallagher, er gleich noch schickt zehn andere grobe Männer!» Mit diesen Worten zieht Sophie Polivkas Handy aus der Tasche und tippt eine Nummer in die Tastatur.
    Von einer exaltierten Balkanamazone mit einem russischen Killerkommando bedroht zu werden, scheint eine gänzlich neue Erfahrung für John Gallagher zu sein. Er glotzt Sophie ungläubig an. «Ich muss Sie bitten, jetzt zu gehen, Madame. Sofort. Ich will mich nicht gezwungen sehen, die Polizei von dieser Angelegenheit zu informieren.»
    Sophie aber lauscht ungerührt ins Handy. «Francba!», ruft sie schließlich. «Ist nur Mailbox!»
    «Raus hier!» Gallagher ist aufgestanden. Er umrundet seinen Schreibtisch und tritt zu Sophie, um sie am Oberarm zu packen.
    «Jenö!», kreischt sie. «Jenö, segits nekem! Csinálj valamit!»
    Obwohl er keine Silbe Ungarisch beherrscht, erhebt sich Polivka jetzt auch von seinem Sitz. Denn Jenö, der magyarische Masseur in ihm, hat jedes Wort verstanden. Zeit für eine Ganzkörpermassage, flüstert Jenö, Zeit für eine Abreibung.
    Es wird ein kurzer, ein ungleicher Kampf. Geschwächt von einer Woche Rohkost, muss sich Polivka dem gut zehn Jahre älteren, aber durchtrainierten Gallagher geschlagen geben. Während er – an der zufrieden grinsenden Empfangsdame vorbei – von Gallagher zur Tür gezerrt wird, denkt er an den Jubelpark gleich gegenüber, an die Jogger, die dort täglich ihre Runden drehen, an seine HDL-Cholesterinwerte und seinen Body-Mass-Index.
    Er hat sich selten so nach einer Gauloise gesehnt.

    Nicht einmal fünf Sekunden wartet Polivka im Hausflur, als auch schon Sophie erscheint. Statt sich jedoch dem Haustor zuzuwenden, um diesen schmachvollen Ort so rasch wie möglich zu verlassen, schiebt sie Polivka um eine Ecke.
    «Bingo», flüstert sie.
    «Was meinen Sie mit Bingo ?»
    «Ich erkläre es Ihnen später.» Und sie hebt die Hand, in der sein Handy liegt.
    Schwer von Begriff ist Polivka ja nie gewesen. Trotzdem wird er die Finesse, mit der Sophie die Sache eingefädelt hat, erst später nachvollziehen können. Nämlich, wenn sie ihm erzählt, dass sie mit seinem Telefon die Nummer ihres eigenen billigen Wertkartenhandys gewählt hat, das sie – auf lautlos geschaltet – in der Jackentasche trug. Dass sie den Anruf auf dem zweiten Handy unbemerkt entgegennahm, um es in einer Fensternische zu verstecken, während Gallagher im Clinch mit Polivka den Raum verließ. Er wird verstehen, Polivka. Er wird verstehen und verlegen schweigen. Denn Sophies Bericht wird mit den Worten enden: «Seien Sie mir nicht böse, dass ich Ihnen nicht schon vorher von dem Plan erzählt habe. Ich hatte Angst, Sie würden mich für eine Wahnsinnige halten. Aber jetzt … Jetzt weiß ich, dass ich Ihnen voll und ganz vertrauen kann. Wie Sie den alten Sack im Glauben ließen, dass er Ihnen haushoch überlegen ist, war eine Meisterleistung. Hätten Sie den starken Mann markiert, dann hätten wir es nicht geschafft.»
    Im Augenblick ist Polivka nur eines klar: Aus dem Lautsprecher seines Handys dringt die angespannte Stimme Gallaghers, der offenbar gerade selbst zum Telefon gegriffen hat.
    «Good morning … Gallagher from SSS . I need to speak with Mister Stranzer … No, I cannot wait, it’s urgent …»
    «Stranzer?», murmelt Polivka. « Der Stranzer?»
    Aber schon ist wieder Gallagher zu hören.
    «Hallo, Till, hier John.

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