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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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Seine Eltern haben dort eine Gärtnerei betrieben, und herangezüchtet haben sie ein bemerkenswertes Pflänzchen, eine kleine schmarotzende Mistel namens Till.»
    «Woher kennen Sie ihn?»
    «In Österreich kennt ihn jeder. Er war immerhin unser Verkehrsminister. Wieder so ein Volksvertreter, der nicht mit mir abendessen geht. Wobei ich ihn auch nicht gewählt habe, da hätte er mir schon die rechte Hand abhacken und damit sein Kreuzchen machen müssen. Stranzer ist, wenn Sie so wollen, das Enkelkind Thatchers und Reagans und das Kind des politischen Umschwungs, der uns kurz vor der Jahrtausendwende auch in Österreich ereilt hat.»
    «Die kleine Koalition.»
    «Eine sehr kleine, ja. Die Bürgerlichen und die Rechten haben die Sozialisten, die die Wahl gewonnen hatten, in der Zielgeraden zur Regierungsbildung ausgebremst. Heraus kam eine Mischung aus dümmlicher Bigotterie und aalglattem Karrierismus, gewürzt mit dem postmodern-faschistoiden Gehabe homophiler Rotzbuben. Die Österreicher mögen das.»
    «Jörg Haider?»
    «Ganz besonders. Aber Kanzler wurde trotzdem der damalige Chef der Volkspartei, die bei der Wahl nur auf den dritten Platz gekommen war.»
    «Warum?»
    «Weil er so gerne einmal Kanzler sein wollte. Und etwas Besseres hätte seinem Kabinett gar nicht passieren können. Dieser Pfau hat sich so stolz in seinem staatsmännischen Ruhm gesonnt, dass man in seinem Schatten seelenruhig unseren Staatsschatz plündern konnte: Hier die Anschaffung von neuen Kampfjets für das Bundesheer um zwei Milliarden Euro, davon zig Millionen an», Polivka malt mit seiner Hand zwei Gänsefüßchen in die Luft, « Erfolgsprämien und Provisionen . Da wieder der Ausverkauf von Bundeseigentum, zum einen profitable Unternehmen wie das Dorotheum oder die Tabakwerke, zum anderen sechzigtausend staatseigene Wohnungen, die einen Wert von fast zwei Milliarden hatten. Eingenommen wurde damals nicht einmal die Hälfte, dafür flossen Gratifikationen und Beraterhonorare weit im dreistelligen Millionenbereich. Nicht zu vergessen die verschiedenen Gesetzesänderungen, die den einen oder anderen Konzern begünstigten wie etwa unsere – ebenfalls privatisierte – Telefongesellschaft. Wieder mehrere Millionen Euro, die als kleines Dankeschön an hilfreiche Politiker, parteinahe Firmen und Institutionen und an die Parteien selbst geflossen sind.»
    «Respekt, Herr Polivka, Sie wissen ganz schön viel von diesen Dingen.»
    «Ich bin Österreicher, und dazu noch Kriminalbeamter. Wenn man da die Untiefen nicht kennt, die man tagein, tagaus geflissentlich umschiffen muss, verbaut man sich jegliche Aufstiegschancen.»
    «Tun Sie das? Ich meine, das Umschiffen?»
    «Bin ich längst schon Chefinspektor oder immer noch ein mickriger Bezirksinspektor?»
    Sophie verzieht den Mund zu einem mitfühlenden Lächeln. «Und wie sehen jetzt die Untiefen von Stranzer aus?»
    «Das sind schon regelrechte Sandbänke. Der Stranzer war natürlich mit von der Partie. Wie alle, deren Phantasie nicht weiter reicht als bis zu ihrem Kontoauszug, hat er vorher Jus studiert. Die Wirtschaftswissenschaften sind ja längst passé, da wird man vielleicht Händler oder Fabrikant, aber wer will schon etwas produzieren? Nein, wenn man wirklich ein erfolgreicher Schmarotzer werden will, studiert man die Gesetze – oder besser ihre Lücken. Glauben Sie, dass auch nur einer der damals Verantwortlichen heute hinter Gittern sitzt? Noch nicht einmal die Dauerwelle der Nation, unser Finanzminister, dieses … Schwiegermutter-Höschenfeucht , das seine manikürten Finger überall mit drin hatte.»
    «Schön haben Sie das gesagt. Ein Schwiegermutter-Höschenfeucht …»
    «Man muss sich das einmal vor Augen halten: Ein Finanzminister, der seine Privatmillionen steuerschonend auf karibischen und Liechtensteiner Stiftungskonten parkt. Bei uns in Österreich ist so etwas noch nicht einmal ein Grund, vom Amt zurückzutreten.» Polivka zieht eine missmutige Fratze. «Jedenfalls hat sich der Stranzer im Lauf der Jahre – wie nicht wenige seiner Kollegen – ein immenses Netz an Firmen und politischen Funktionen aufgebaut. Soll heißen: Präsidentschaften in mehreren politischen Vereinen, Manager eines Investmenthauses, Aufsichtsrats- und Beiratsposten im Transport- und Energiebereich, Kurator dreier Stiftungen, Gesellschafter diverser Marketing- und Consultingunternehmen, außerdem Geschäftsführer einer eigenen Beratungsfirma und – natürlich –

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