Polivka hat einen Traum (German Edition)
Gouverneur von Kalifornien werden.
«Ah, ein Landsmann. Womit kann ich Ihnen helfen?»
«Haben Sie noch zwei freie Plätze für den Flug nach Wien um zehn nach vier?»
«In der Business Class?»
«Economy, bitte.»
«Ein Momenterl, ich schau gleich nach …» Mit flinken Fingern tippt der rote Mann etwas in eine hinter dem Tresen verborgene Tastatur. «Ich kann Ihnen leider nur noch ein letztes Economy-Ticket anbieten», meint er dann bedauernd.
«Und Business?»
«Da wäre auch noch ein Platzerl frei.»
«Verstehe …» Polivka tauscht Blicke mit Sophie.
«Aber wenn Sie sich beeilen», raunt der Rote nun verschwörerisch, «können Sie’s noch bei den Griechen probieren. Die Maschine der Aegean Airlines startet um drei viertel vier und dürfte noch halb leer sein.»
«Aha … Die ist dann also vor der Austrian in Wien?»
Der Rote schmunzelt. «Nicht direkt. Sie hat nämlich noch eine Zwischenlandung in Athen.»
«Ich nehme Ihre Tickets. Beide.» Polivka greift in seine Jacke und zieht seine Brieftasche heraus, als ihn ein jäher Schreck durchströmt: Wenn Gallagher ein Handy orten kann, ist auch eine Kreditkarte nicht vor ihm sicher. Keine zehn Minuten, und er wird im Bilde sein, wo seine Beute sich befindet und wohin sie zu reisen gedenkt.
«Wann müssen wir denn allerspätestens am Flugsteig sein?», fragt Polivka den Roten.
«Boarding ist fünfzehn Uhr vierzig. Da bleibt Ihnen noch Zeit genug, um Ihr Gepäck bei einem unserer Luggage-Automaten einzuchecken.»
«Luggage-Automaten, bravo. Als entschiedene Gegner der Vollbeschäftigung würden wir das selbstverständlich gerne unterstützen, aber leider haben wir kein Gepäck.»
«In Anbetracht der Sicherheitskontrollen würde ich Ihnen aber raten, rechtzeitig …»
«Wäre es möglich», unterbricht ihn Polivka, «die Tickets bis halb vier zu reservieren? Ich komme dann verlässlich und bezahle sie.»
Der Rote verzieht das Gesicht. «Sie sollten es vielleicht doch bei den Griechen versuchen …» Er verstummt und starrt auf die Dienstmarke, die Polivka ihm vor die Nase hält.
«Kriminalpolizei.»
«Das geht schon klar mit Ihren Tickets, ich halte sie bis zum Abflug bereit.»
Eineinhalb Stunden ohne Geld auf einem internationalen Flughafen verbringen zu müssen, kommt für den normalen Reisenden den Qualen des Tantalus gleich:
Mitten im Teiche stand er, das Kinn von den Wellen bespület,
lechzte hinab vor Durst und konnte zum Trinken nicht kommen.
Doch Sophie und Polivka haben anderes im Kopf als Prada , Gucci und Versace . Sie treten ins Freie und gesellen sich zu den Rauchern, die in einem rot markierten Quadrat vor dem Gebäude stehen.
«Falls INDECT bereits in Betrieb ist», sagt Sophie und streift die unzähligen an der Wand montierten Kameras mit verstohlenen Blicken, «haben sie uns schon längst gefunden.»
«Ja. Dann wären sie aber auch schon hier», sagt Polivka. Er zieht an seiner Zigarette. «Trotzdem sollten wir uns eine Ecke ohne Überwachung suchen.»
«Und wozu? Was willst du tun?»
«Zuerst das Haschisch loswerden, du weißt schon, das aus Jacques’ Geheimversteck.»
«Eine entsetzliche Verschwendung, aber du hast recht. Und dann?»
«Dich küssen.»
Fünf vor vier. Seit einer Viertelstunde Boarding Time und immer noch kein Abflug-Gate in Sicht.
«Da vorne links!»
Sie jagen durch die lang gestreckten Korridore, als ginge es um das nackte Leben. Und das tut es ja wohl auch. Die augenblickliche Verspätung rührt nur daher, dass Sophie und Polivka seit ihrer Rauchpause nicht untätig gewesen sind. Sie haben
1. einander geküsst,
2. das Haschisch in die Toilette geworfen,
3. die zwei vorgeblichen Diamanten aus Jacques’ Geige vor möglichen Zollkontrollen verborgen, indem sie sie hinter der Dienstmarke in Polivkas Brieftasche festklemmten,
4. einander geküsst,
5. sich um halb vier auf ihren Endspurt Richtung Flugsteig konzentriert. Sobald der rote Mann am Austrian -Schalter Polivkas Kreditkarte durch seinen Kartenleser ziehen würde, würde auch der Countdown laufen: Also zehn Minuten, um
6. die Flugtickets zu holen,
7. im Elektronikshop am Weg zur Sicherheitskontrolle zwei neue Wertkartenhandys zu kaufen,
8. sich durchleuchten, begrapschen und Polivkas Zahncreme berauben zu lassen,
9. einander zu küssen und
10. zum Gate zu hetzen.
Ein Spalier aus vorwurfsvollen Blicken erwartet die beiden, als sie Punkt vier Uhr den Airbus betreten. Vor allem Sophie, deren Sitz sich ganz hinten im Heck der Maschine
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